Der Turm der Seelen
das oberste Exemplar lag auf Seite fünf aufgeschlagen da. Während zwei andere Kunden schon ihre Zeitung gekauft hatten, starrte Lol immer noch darauf.
Glaubst du an Geister, Lol?
So etwas hatte er wirklich nicht kommen sehen. Niemand hatte damit gerechnet, wenn man den Bemerkungen glauben durfte, die im Laden fielen. «Über diesen Kandidaten hab ich schon so einiges gehört», sagte eine Frau in Jogginghosen. «Der ist Alkoholiker.»
«Scheinen mir eher irgendwelche härteren Drogen zu sein», sagte ein älterer Mann.
Der Zeitungsverkäufer nickte. «Irgendwas nimmt er bestimmt, sonst könnte er es doch in dem Haus überhaupt nicht aushalten.»
Diese Neuigkeiten musste Prof Levin nicht unbedingt erfahren, beschloss Lol, während er mit ein paar Zeitungen auf dem Beifahrersitz von Bischof ’s Frome zurückfuhr. Es war halb acht, und die Sonne stand schon relativ hoch. Das würde wieder ein heißer Tag werden. Prof musste vor zehn Uhr nach London abfahren, seine Koffer hatte er schon in seinen altersschwachen Range Rover gestellt – Abbey Road winkte. Der labile Gitarren-Virtuose Tom Storey würde ihn dort schon mit seiner alten Telecaster erwarten und nervöse Riffs in die heiligen Hallen jagen.
Lol überlegte, ob er die
People
-Ausgabe im Astra liegen lassensollte, bis Prof weg war. Nicht, dass er sie zur Hand nehmen würde. Seit Lol da war, hatte er Prof noch nie eine Zeitung aufschlagen sehen. Es war Lol, der die Zeitungen kaufte, weil er sich versichern musste, dass sich die Welt da draußen weiterdrehte.
Schließlich raffte er doch alle Zeitungen zusammen, der
Observer
lag ganz oben, und ging damit ins ehemalige Stallgebäude. Prof war in der Küche und verabreichte sich eine lebenserhaltende Infusion aus seiner Cappuccino-Maschine.
«Noch zwei Punkte, Laurence. Erstens: Wenn ich zurückkomme, erwarte ich Demo-Aufnahmen von fünf neuen Songs. Keine Ausreden. Hol dir St. John zum Helfen rüber. Und falls er nicht kommen will, sag seiner Frau, sie soll ihm ihn den Hintern treten – das ist in ihrem Fall bildlich gesprochen, wie du noch sehen wirst.»
«Er ist verheiratet?»
Prof sah ihn misstrauisch an. «Warum fragst du?»
«Ach, nur so …»
Prof runzelte die Stirn. «Robinson, ich kann in deinem Gesicht lesen, als hätte ich die Schlagzeilen der
Sun
vor mir. Wer hat über den Vikar gequatscht?»
«Und was war der zweite Punkt? Du hast gesagt, zwei Punkte …»
«Zweitens – vielleicht hab ich das ja schon mal gesagt – du hältst diesen Saukerl Stock hier draußen. Schlimm genug, wenn er hier auftaucht, wenn ich da bin. Ich will ihn nicht hier haben … Was ist los? Was stimmt denn nicht?»
Lol seufzte. Er wollte Stocks Anspielungen über Simon nicht weitererzählen. Er blätterte durch den Zeitungsstapel.
Observer, Sunday Times, People
. Er reichte Prof das Boulevardblatt.
«Was ist das für ein Scheiß?» Prof hielt die Zeitung vor sich und spähte durch seine Bifokalbrille. «Was für einen Dreck hast du denn da angeschleppt?»
Lol sagte nichts.
Nach einer halben Minute sah ihn Prof über die Zeitung hinweg an. Er wirkte ungewöhnlich beunruhigt, beinahe fassungslos, so als habe ihm jemand aus heiterem Himmel eine Faust in den Magen gerammt. Er legte die Zeitung auf die umgedrehte Packkiste, die er immer noch als Frühstückstisch benutzte.
«Dieser Mann», sagte er schließlich, «ist der unglaublichste Scheißkerl, den ich je das Unglück hatte kennenzulernen. Es gibt wirklich
nichts
, das er nicht zu seinem Vorteil nutzen würde.»
Zu dem Artikel gehörten zwei Bilder. Auf dem einen wirkte die Hopfendarre wie ein Dracula-Schloss, nachdem per Bildbearbeitung ein paar Effekte verstärkt worden waren. Das andere befand sich am unteren Rand der Seite, und es zeigte einen ernsten Gerard Stock, der in der linken Hand einen Kerzenhalter mit brennender Kerze hielt, während er den rechten Arm um eine jüngere Frau mit lockigem Haar gelegt hatte.
UNSERE SCHWARZE HÖLLE
IM HORRORHAUS
Von Dave Lang
Ein entsetztes Ehepaar sprach gestern mit uns über die Spukhölle in seinem düsteren alten Haus, in dem ein Verwandter brutal ermordet wurde.
Die beiden behaupten, dass eine ‹Provinz-Mafia› sie dazu verurteilt habe, mit diesem Horror alleine fertigwerden zu müssen.
Gerard und Stephanie Stock berichten, dass sie die mittlerweile sechsmonatige Tortur in der abgelegenen, umgebauten Hopfendarre an den Rand des Nervenzusammenbruchs getrieben hat.
Doch als sie den
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