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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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gespielt hast? Ist mir schon lange nicht mehr passiert   … da war ich elf oder zwölf. Ich war damals ziemlich klein für mein Alter. Hab gedacht, am Schluss sehe ich so aus wie Mom.»
    «Klein und süß?»
    «Klein ist in der Schule nicht süß.»
    «Tja, immer auf die Kleinen», sagte Eirion.
    «Wirklich, in der Schule kann alles passieren. Da gibt es richtig
bösartige
Kids, und die Erwachsenen haben keine Ahnung davon. Als ob irgendwann ihr Gehirn umgeschaltet hat und sie ab dem Moment denken, alle Kinder wären süß und harmlos. Und nur deshalb können Teenager-Psychos wie Layla Riddock so was machen.»
    Es klopfte an der Tür.
    «Verdammtverdammtverdammt!» Jane knipste die Lampe aus. «Schlafen diese beiden Quälgeister eigentlich nie?»
    «Eirion?» Diese grässliche quietschige Kleinmädchenstimme.
    «Was?», rief Eirion heiser.
    «Ydy Jane yno?»
    «Hrm   … nein», gab Eirion zurück.
    «Wel, ble mae Jane?»
    «Vielleicht ist sie ja was einkaufen gegangen.»
    «Aw, Eirion   … ma’r siop ar gau!»
    «Jetzt reicht’s mir!» Jane schwang die Beine aus dem Bett. Sie trug ihre Jeans und ihr gelb-weißes Ringeltop und tappte über die Holzdielen zur Tür.
    Eirion sah ihr ein bisschen beunruhigt nach. «Nein, mach das nicht», flüsterte er. «Ignorier sie doch einfach.»
    Jane blieb vor der Tür stehen und dachte einen Moment lang nach. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie schlich zurück und legte sich wieder aufs Bett. Eirion saß am Kopfende und zog sich die Turnschuhe über die bloßen Füße.
    «Sioned?», rief Jane mit ihrer rauchigsten, tiefsten Stimme.
    «Jane!»
    «Sag mal, könnt ihr uns noch ein paar Minuten Zeit lassen? Wir haben grade Sex, okay?
Ni’n, er, yn, bumsio .»
    Ein köstliches, entsetztes Schweigen folgte.
    Eirion lag als bebende Kugel auf dem Bett.
    «Nicht aufhören!»
Jane atmete laut und keuchend.
«Fester! Tiefer! Oh Gott   …»
     
    Höllisch? Allerdings.
    Jane fand die Waliser nett. Das mochte eine unzulässige Verallgemeinerung sein, aber die meisten Waliser, die sie bis jetzt kennengelernt hatte, wirkten auf Jane freundlich und vorurteilslos. Und im Gegensatz zu dem, was alle behaupteten, konnte man sehr viel Spaß mit ihnen haben. Da musste man nur mal an Gomer Parry denken.
    Oder an Eirion: stämmig, ehrlich, selbstironisch   … und dann hatte er noch dieses unglaubliche Lächeln, bei dem man sich fühlte (wie sie in einem Gedicht geschrieben hatte, das sie ihm selbst in einer Million Jahren garantiert nicht zeigen würde), als würden an einem milden Frühlingsmorgen alle Vögel gleichzeitig zu singen anfangen.
    Der Ärmste. Musste unter den
Crachach
aufwachsen.
    So wurde sie nämlich genannt – die walisische Aristokratie, die besten Familien. Ein paar führten Titel, doch die meisten betrachteten englische Ehren mit Herablassung, wenn sie auch – als gute Geschäftsleute – normalerweise unglaublich freundlich mit den Engländern umgingen, mit denen sie zu tun hatten.
    Eirion sagte, dass sein Vater, Dafydd Sion Lewis, eine Art walisischer Quango-König sei, was bedeutete, dass er seine Finger bei allen möglichen lukrativen Abschlüssen von
Quasi- NGOs
im Spiel hatte. Er «diente» der walisischen Entwicklungsbehörde, dem walisischen Rat der Künste, dem walisischen Tourismusverband und dem walisischen Rundfunkrat. Und wie auch immer sich die walisischen Wasser- und Elektrizitätswerke dieser Tage nannten – er besaß einen bedeutenden Anteil der Aktien. Es gab eine ganze Gruppe Männer wie seinen Vater in Wales, sagte Eirion. Die Namen der Institutionen und Firmen mochten sich ändern, doch es saßen immer die gleichen Leute auf den entscheidenden Posten.
    Dafydd Sion Lewis war ein untersetzter, lauter und herzlicherMann und, wenn man Eirion in seinen dunkleren Stunden glauben wollte, vollkommen korrupt.
    Gwennan war seine zweite Frau und etwa fünfzehn Jahre jünger. Sie hatte früher Walisisch unterrichtet und war jetzt – als Folge ihrer Ehe mit dem Quango-König – ein wichtiges Mitglied des Gremiums zur Pflege der walisischen Sprache.
    Nicht dass Jane damit ein Problem gehabt hätte. Sie war sehr für Sprachenvielfalt: Gälisch, Cornisch   … alles, damit die Leute ihre Unterschiedlichkeit bewahrten und ihren Sinn für die
Andersartigkeit
entwickelten.
    Zuerst hatte Jane Gwennan mit ihren zwei Autos und ihrer Filmstar-Garderobe ziemlich cool gefunden.
    Doch schon am zweiten Tag hatte sie verstanden, was Eirion mit seiner

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