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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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vorgefunden.»
    «Das hat ihnen vermutlich nicht sehr geholfen», sagte Merrily.
    «Damit haben sie sich endgültig selbst in die Pfanne gehauen, was das Gericht anging. Sie wurden schuldig gesprochen, und das Urteil lautete auf lebenslänglich. Jetzt haben sie Berufung eingelegt – das macht jeder. Werden von ein paar Bürgerrechtlern unterstützt. Ziemlich unwahrscheinlich, dass sie Erfolg haben, aber ich kann mir vorstellen, dass ein oder zwei Leute hier in der Gegend trotzdem ein bisschen nervös werden. Wir sind es jedenfalls.» Er lachte kurz auf. «Wenn
sie
es nicht waren, wer war es dann? Es ist eine Sache, in einem Haus zu wohnen, in dem ein Mord begangen wurde, aber es ist etwas ganz anderes, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Mörder noch irgendwo frei herumläuft.»
    «Glauben Sie denn tatsächlich an diese Möglichkeit?»
    «Oh ja.»
    Er ging zur Wand und nahm einen Holzstab herunter, an dessen Spitze eine schmale Sichel befestigt war. Unvermittelt leuchtete die halbmondförmige Klinge in einem Sonnenstrahl auf, der durch das mittlere Fenster fiel. Merrily bewegte sich nicht, während Stock den Stab von einer Hand in die andere wechseln ließ.
    «Diese Dinger haben sie benutzt, um die Ranken abzuschneiden.Heißen Hopfenschneider-Haken. Ich habe die Klinge gewetzt. Hab mir gesagt, sie sollen mich nicht so leicht kriegen wie den alten Stewart. Lächerliche Idee.» Er zuckte mit den Schultern. «Ich traue den Leuten vom Land einfach nicht.»
    Warum hatten die Stocks dann nicht einfach verkauft und waren weggezogen?
    «Das verstehe ich nicht. Warum sollte irgendjemand
Ihnen
etwas antun wollen?»
    «Ich   …» Er sah sie an, als wollte er etwas sagen, doch dann senkte er schweigend den Kopf. «Ich weiß es wirklich nicht. Ich fühle mich einfach nicht sicher hier. Das war von Anfang an so. Ich liege nachts wach und lausche auf Geräusche. Und ich höre auch welche. Auf dem Land ist es   …»
    «Was für Geräusche?»
    «Oh   … Knacken, Klopfen. Wahrscheinlich Vögel und Fledermäuse und Eichhörnchen.» Er zuckte unbehaglich mit den Schultern. «Ich weiß auch nicht. Vermutlich ist es nichts weiter. Bis auf die Schritte. Ich weiß genau, wie sich Schritte anhören.»
    «Also haben Sie wirklich Schritte gehört?»
    «Kein lautes Gestampfe wie im Kino. Es sind leise, schleppende Schritte. Ich höre sie immer kurz vor dem Einschlafen. Es ist, als würde jemand durch meinen Kopf schleichen. Man denkt, man hat sie gehört, ist aber nie vollkommen sicher. Aber mitten in der Nacht wirkt es   … ziemlich real.»
    Doch das genügte Merrily noch nicht. «Was ist mit den Möbeln, die bewegt wurden?»
    Er sah sie scharf an. «Oh, das haben wir nicht
gehört
. Wir hatten den Tisch über die Stelle mit den Blutflecken gestellt, um sie nicht mehr zu sehen. Und als wir am nächsten Morgen herunterkamen, stand der Tisch wieder da   … wo er jetzt steht. Das ist zwei Mal passiert. Aber wir haben nie etwas gehört.»
    «Und dann haben Sie noch von einer Gestalt gesprochen. Siehaben in dem Zeitungsinterview gesagt, dass Sie gesehen hätten, wie eine Gestalt   …»
    «Ja.» Er ging zu der Wand, die der Tür gegenüberlag. «Sie ist aus der Wand gekommen, genau hier. Ich habe ‹Gestalt› gesagt, damit diese schwachsinnigen Boulevardschreiber nicht überfordert sind. Aber eigentlich war es einfach eine   … Lichtform. Verstehen Sie, was ich damit meine?»
    «Ein Licht, das sich bewegt hat?»
    «Ein blasses Leuchten, ein Schimmern. Etwas, das nicht richtig gestrahlt hat, aber heller war als die Wand. Und es hatte ungefähr die Umrisse eines Menschen. Wir hatten gerade zu Abend gegessen   … es war ziemlich spät geworden, wir hatten unseren Hochzeitstag gefeiert. Und auf einmal wurde es kalt im Zimmer – ja, ich weiß, dass das ein Klischee ist, aber so ist es eben gewesen. Es war eine merkwürdige Art Kälte   … sie ist einem wirklich bis ins Mark gedrungen   … kennen Sie so etwas?»
    «Ja.» Das alles klang überzeugend. Wenn man an all die Ausschmückungen dachte, die er hätte machen können – der Geruch von Stewarts Aftershave und so weiter   …
    Merrily erschauerte und war froh, dass sie eine Jacke übergezogen hatte – eigentlich hatte sie vor allem das Radiohead- T-Shirt verstecken wollen. Sie war in aller Eile aufgebrochen, hatte nicht gefrühstückt und nur die Tasche mit ihrem Messgewand in den Kofferraum geworfen. Normalerweise verbrachte sie vor einem Grenzfragen-Auftrag eine Stunde

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