Der Turm der Seelen
Zeitungsleute da waren, mussten wir uns ein paar passende Sätze ausdenken. Vielleicht denkt sie, dass diese Erscheinungen irgendwann von selbst wieder aufhören.»
«Sie meinen also, Ihre Frau fürchtet sich nicht so sehr davor wie …»
«Wie ich? Offenbar nicht. Natürlich sitzt keiner von uns gern im Dunkeln – und hier herrscht eine Dunkelheit, gegen die man richtig
kämpfen
muss. Und diesen Kampf verliert man unweigerlich. Hier drin brennt eine Hundert-Watt-Birne nur wie eine Vierziger. Wir haben horrende Rechnungen bekommen. Aber Stephie – vielleicht glaubt sie einfach nicht, dass Stewart ihr etwas antun würde. Außerdem ist sie religiöser als ich. Nichtpraktizierende Katholikin. Aber es geht nicht weg. Nicht wie …»
Merrily lächelte.
«Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich bin als Mitglied der Kirche von England aufgewachsen.»
«Ich meinte nur», sagte Merrily, «dass Ihre Frau als Blutsverwandte von Mr. Ash auch hier sein sollte, wenn wir tun, was immer wir auch tun werden.»
«Na ja, sie wird ja hier sein … heute Abend.»
«Mr. Stock», sagte Merrily, «damit wir uns recht verstehen: Wenn Sie keinen wirklich bedeutenden Grund dafür haben, aus dem wir die Sache heute Abend machen sollten, dann halte ich das für keine gute Idee. Ich glaube, es wäre für uns alle besser»
– und für den Bischof auch –
«wenn wir jetzt gleich ein paar Gebete sprechen und vielleicht eine kleine Seelenmesse für Mr. Ash abhalten.»
«Jetzt?»
Beinahe wäre er einen Schritt zurückgewichen.
«Jedenfalls bei Tageslicht. Ich glaube, man setzt sich neuen Risiken aus, wenn man so etwas zu …»
«… ernst nimmt?», zischte Stock.
«… unheimlich gestaltet. Ich brauche vermutlich die Bibel, aber auf Glocken und Kerzen können wir leicht verzichten.»
Sie konnte beinahe sehen, wie die Gedanken in seinem Kopf rasten. Seine Augen wirkten leicht fiebrig. Hatte er heimlich geplant, die Medien dazuzuholen? Hatte er für den Abend schon etwas mit der Presse verabredet?
Er bohrte die Fäuste in die Hosentaschen. «Na gut. Ich rufe Stephie im Büro an. Vielleicht kann sie sich freinehmen. Wie lange dauert dieser Exorzismus?»
«Das ist vielleicht ein zu großes Wort für das, was wir tun werden. Nicht sehr lange, denke ich. Es ist immer am besten, alles möglichst einfach zu halten. Oh – und ich würde auch gerne den Vikar dabeihaben. Zwei Geistliche sind in so einer Situation besser als einer, und darüber hinaus ist es üblich, den Ortsgeistlichen bei so etwas einzubeziehen.»
«St. John?» Er grinste höhnisch. «Davon will er bestimmt nichts wissen, das kann ich Ihnen schon vorher sagen.»
«Ich würde ihn trotzdem gerne fragen, falls Sie nichts dagegen haben.»
Er zuckte mit den Schultern. «Das ist Ihre Sache.»
«Im Grunde ist es mehr Ihre Sache. Ihre und die Ihrer Frau. Übrigenswäre es gut, wenn noch ein paar andere Leute dabei wären, die Ihren Onkel gekannt haben. Gibt es irgendwen, den Sie …»
«Oh nein!» Er hob beide Hände. «Auf
keinen
Fall! Ich will keine Leute aus dem Ort im Haus haben, tut mir leid. Wir haben keine engen Freunde in der Gegend, und ich möchte auch nicht, dass zu viel über diese Sache geredet wird.»
«Aber Sie sind doch selbst zur
Presse
gegangen.»
«Ich war eben völlig am Ende, das habe ich Ihnen ja schon gesagt – ich habe mich bedroht gefühlt. Ich wusste nicht, wem ich noch vertrauen kann, ganz besonders, nachdem der Vikar sich geweigert hatte, uns zu helfen. Jedenfalls will ich niemanden von diesen Leuten hier haben. In Ordnung?»
«Na gut. Hmm … noch etwas. Bei einem Gottesdienst dieser Art ist es notwendig, einen Strich unter alles zu machen, was in der Vergangenheit vorgefallen ist. Vergebung ist sehr wichtig, verstehen Sie? Wir suchen nach einer Art Versöhnung zwischen Ihnen und Stewart, und die muss natürlich von Ihnen ausgehen.»
Er lachte. «Ich hätte gedacht, für Stewart wäre eines der besten Dinge am Totsein, dass er Gerard Stock nie mehr wiedersehen muss. Aber Sie müssen es am besten wissen.»
«Na ja, in Wahrheit bin ich mir da gar nicht so sicher», sagte Merrily. «Wir gehen davon aus, dass man Mr. Ash als
Ruhelosen
bezeichnen könnte, als einen Geist, der seinen Frieden nicht gefunden hat. Unser Ziel ist es, ihn von dem zu befreien, was ihn hier festhält und …»
«Hören Sie!» Er stützte die Hände in die Seiten und sah Merrily direkt an. «Wird uns diese Erscheinung
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