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Der Tyrann von Hades

Der Tyrann von Hades

Titel: Der Tyrann von Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Kapp
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daran teilhaben zu lassen. Schließlich teilten Sie gemeinsam ein zweites Mal eine Erinnerung, aber nicht nur in Worten, sondern Sie durchlebten die Lust noch einmal, obwohl Ihre Körper einander nicht berührten. Das ist keine Knechtschaft, Maq Ancor, sondern vielmehr eine Erweiterung der Möglichkeiten des menschlichen Bewußtseins.«
    »Ich halte den Begriff ›Invasion‹ für passender.«
    »Ihrer Definition zufolge stellt jede Sinneswahrnehmung eine Invasion des Bewußtseins dar, da sie von außen kommt. Verbrannte Finger lassen uns zurückzucken, Musik bringt uns Freude, ein Drama läßt uns in Tränen ausbrechen. Was für einen Genuß kann ein gutes Essen auslösen! Wie kann ein Duft die Phantasie beflügeln! EGS ist nichts weiter als eine neue Brücke zwischen Gehirn und Körper.«
    »Das ist falsch«, sagte Ancor. »Das Bewußtsein und der Körper entwickelten sich gemeinsam. Sie bilden ein psychosomatisches Wesen, ein Teil dient dem anderen. Aber EGS kann Freude bringen, wo es nichts gibt, was Grund zur Freude birgt, oder Schmerzen, wo es nichts gibt, auf das es zu reagieren gilt. EGS kann aus heiterem Himmel Furcht herbeizaubern oder Fatalismus, wenn es eigentlich Zeit ist, zu kämpfen. Sie verwandelt die menschlichen Gefühle in eine Karikatur.«
    »Wir hatten gehofft, Sie davon überzeugen zu können, sich uns freiwillig anzuschließen«, sagte der Mann traurig. »Aber es scheint, als ob Ihre Sturheit dem im Wege steht. Doch täuschen Sie sich nicht, Maq Ancor, Sie werden sich uns anschließen, auch wenn das jetzt gegen Ihren Willen geschehen wird.«

 
Kapitel 22
     
    Das Licht, das durch die etwa zwei Meter von seinem Kopf entfernte Abdeckung hereindrang, ermöglichte es Ancor, die Vorstellung, die er sich in der Dunkelheit von seinem Gefängnis gemacht hatte, mit der Wirklichkeit zu vergleichen. Er fand sein Bild im großen und ganzen bestätigt. Das ›Bett‹ befand sich tatsächlich auf einem Gerüst, das man hinauf- und herunterfahren konnte. Der Boden war mit Wasser bedeckt, über dessen Tiefe sich Ancor allerdings im unklaren war. Der Raum hatte die Form einer Grube von ungefähr fünf Metern Durchmesser und einer Tiefe von zehn Metern. Die gesamte Anlage schien von beträchtlichem Alter, und wenn man ihm gesagt hätte, daß sie seit Jahrhunderten in Betrieb wäre, hätte er es ohne weiteres geglaubt.
    Der Mann mit dem roten Hut bemerkte seinen forschenden Blick.
    »Unsere Methoden scheinen Sie zu verwirren, aber historisch gesehen gibt es sehr gute Gründe für die Konstruktion solcher Zellen. Erstens waren sie günstig zu bauen, und wir benötigten sie in großer Zahl, um den täglichen Strom der Auswanderer zu bewältigen. Zweitens sind sie ausbruchssicher. Über die Jahre haben sich viele von ihren Fesseln befreit, aber niemandem ist je die Flucht aus seiner Zelle gelungen. Drittens, auch wenn wir bei Ihnen darauf verzichtet haben, um Ihren Intellekt nicht zu beleidigen, kann die Liege in Rotation versetzt werden, so daß der Auswanderer in der Dunkelheit völlig die Orientierung verliert. Ein Mensch, der auf diese Weise komplett von der physischen Erfahrung abgeschnitten ist, zieht sich in seinen Kopf zurück. Und dort, in seinem Kopf, treten wir ihm gegenüber. Dort zeigen wir ihm, daß Sinneswahrnehmungen und Gefühle nicht miteinander einhergehen müssen, daß selbst Desorientierung äußerstes Vergnügen bereiten und Stillstand die Hölle bedeuten kann. Wir demonstrieren ihm die Macht der elektronischen Gehirnstimulation.«
    »Und was ist mit dem Wasser?«
    »Die meisten Menschen haben krankhafte Angst vor dem Ertrinken. Der Härtetest für EGS ist, daß sich ein Mann vor Lachen biegt, während er gleichzeitig denkt, er würde ertrinken.«
    »Und wozu das Ganze?«
    »Um die Disziplin zu demonstrieren, die eine überlegene Gesellschaft zwingend erfordert. Einem Wilden, der in Ihre Gesellschaft gerät, würde es nicht gefallen, Schuhe zu tragen, Steuern zu zahlen oder sich der Staatsgewalt unterzuordnen. Er muß einige seiner angeborenen Freiheiten aufgeben, um die Vorteile zu genießen, die ihm Ihre Gesellschaft bietet. Der Schritt zu unserer Lebensweise ist nicht anders. Sie geben einen Teil Ihrer Gedankenfreiheit auf und kommen dafür in den Genuß der Vorteile unserer Gesellschaft. Der Unterschied zum Wilden ist lediglich ein gradueller, kein qualitativer.«
    »Nein, für mich nicht«, sagte Ancor bitter. »Was geschieht jetzt?«
    »Die Operationssäle werden vorbereitet. Das wird

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