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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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meine Beine nach oben, ich schwebte an der Decke, die Beine oben, der Kopf unten.
    Wenn ich den Bodenkontakt verliere, werde ich sogleich unsicher. Als Kind konnte ich niemals bei Ballspielen mittun, weil man dabei in die Luft springen muss. Ich gehe nie auf Rummelplätze, den Anblick eines Karussells oder einer Achterbahn kann ich kaum aushalten.
    In dem Augenblick, in dem ich auf dem Estrich aufschlug, war alles vorbei. Der Schatten hatte sich verflüchtigt, das unter der Tür einfallende Licht umflutete mich freundlich, als wollte es mir aufhelfen.
    »Du bist ihm während der Verhandlung in den Rücken gefallen!«
    Gestern hatten Burgis blonde Haare die Nacht erleuchtet, jetzt ging von ihren fast weiß gefärbten Haaren ein eisiges Air aus, das sich nicht nur in dem Raum verbreitete, den ich beobachtete, sondern aus dem Bildschirm auch in mein Büro hineinzuwehen schien. Gegen die Kälte, den Feind aller Körper, Todfeind meines Körpers, gegen die Kälte ist kein Kraut gewachsen.
    »Auf Anweisung von –«
    Sondra sprach meinen Namen nicht aus.
    Burgis Gesicht war weiß wie ihre Haare. Wenn sie redete, bewegte sie die blutleeren Lippen nicht.
    »Du hast ihm das Genick gebrochen!«
    Sondra sprach mit zu Herzen gehender Stimme: »Hätte ich Peter gewähren lassen und hätten wir den Auftrag später abgelehnt, der Einkaufsvorstand hätte uns wegen Culpa in contrahendo verklagt.«
    Burgi legte den Kopf in den Nacken und strich sich die Haare nach hinten. Sie umfasste die Haare und zog sie gegen den Widerstand ihrer Halsmuskeln zurück, dabei stieg Blut in ihr Gesicht.
    »Ich will ehrlich mit dir sein. – Nach seinem Unfall war es für Peter so, als hätte es dich nie gegeben. Als wäre unsere Beziehung nie unterbrochen gewesen. Zunächst hast du das respektiert. Aber jetzt sehe ich, dass du dich um Assignments bemühst, bei denen du auf Peter triffst. Du brauchst mir nicht zu widersprechen.«
    Sondra erhob keinen Einspruch.
    »Du suchst seine Nähe. Ich kann nicht vernünftig arbeiten, wenn ich ständig darüber nachdenken muss, ob ich zu der Exfreundin meines Freundes auch rücksichtsvoll genug bin!«
    Sondra presste die Lippen aufeinander. Entschlossen, unter keinen Umständen mehr das Wort an die andere zu richten, schrieb sie auf ihrem Notebook – ich konnte die Worte gut entziffern, als ich heranzoomte: Du musst nicht höflich mit mir sein. Lassen wir die Formalitäten.
    Sondra drehte das Notebook, Burgi beugte sich vor, um den Text zu lesen.
    »Ich bin jetzt sehr direkt.«
    Burgi sprach mit geschlossenen Augen. Mir kam die Idee, dass Sondra nicht reden konnte, weil ihr Mund zugenäht war, und Burgi die Augen nicht mehr aufmachen konnte, weil ihre Lider zusammengenäht waren.
    »Ich möchte, dass du dich aus allen Assignments zurückziehst, auf denen auch Peter ist. Es wäre am besten, wenn du selbst den Antrag stellen würdest, in eine andere Abteilung versetzt zu werden. Deine Abteilung wird immer mit dem Werk hier zu tun haben.«
    Sondra schrieb: Die Leute in meiner Abteilung und die auf meinen Assignments sind die einzigen Menschen, die ich kenne. Sonst habe ich keine Freunde.
    Burgi hob ihre Hände vor Sondras Gesicht und spreizte die Finger. Ihre Finger scharfe Klingen, die das Gesicht Sondras zerschneiden sollten?
    Sondra: War das eine Drohung? Du hast nicht die Macht, mich zu versetzen.
    Burgi nannte einen Namen aus Philadelphia, den ich noch nie gehört hatte, der Träger dieses Namens werde Sondras Versetzung bewirken, wenn sie, Burgi, ihn darüber informiere, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen ihr und Sondra unmöglich sei. Burgis jetzt durchblutete Lippen eine spöttische Epistel. Sie werde die Dinge in die Wege leiten, wenn Sondra sich nicht von sich aus um ihre Versetzung bemühe.
    Sondra hatte angehoben, meinen Namen zu nennen, aber dann ihren Satz nicht beendet. In keinem Gespräch fiel mein Name. Ich habe nie ohne Grund in unserem Total-Recall-System gesurft, andere Menschen interessieren mich zu wenig, ich habe mich nur dann eingeloggt, wenn ich eine bestimmte Person im Auge behalten oder einen bestimmten Vorgang verfolgen wollte. Warum wurde mein Name nie genannt, obwohl ich doch der Werksleiter war? Es war Zufall: Hätte ich andere Besprechungen und andere Mitarbeiter ausgewählt, vielleicht wäre ich dauernd erwähnt worden. Es war kein Zufall: Ich hatte Mitarbeiter aus meiner engeren Umgebung beobachtet, die taten, was ich ihnen angewiesen hatte, und die sich nicht erst auf

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