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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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darauf und schauten über die Brüstung auf das Getümmel aus Straßenmalern, Gauklern, Musikanten, Porträtzeichnern, Einradfahrern, Kindern, Hunden und Touristen mit und ohne Stadtführer. Heute musste ich mir wirklich was einfallen lassen, um meine Gruppe bei der Stange zu halten. Natürlich konnte ich erzählen, wie viele Geigen und Cembali in Mozarts Geburtshaus zu besichtigen waren. Aber dann würden die Mienen meiner Zuhörer förmlich erschlaffen. Die Ersten strebten jetzt schon dem lieblichen »McDonald’s«-Schild zu, das gülden und im Stil alter Handwerkszünfte in Sichtweite hing, oder drohten in Scharen in die Getreidegasse zu strömen, um sich dem Shoppen hinzugeben.
    »Als Kinderstar wurde er von seinem Vater vermarktet wie Michael Jackson, nur schlimmer«, versuchte ich das Interesse meiner Gruppe wach zu halten. »So eine Tournee konnte gut und gern zwei Jahre dauern, allerdings nicht im gut geheizten Tourbus, sondern in einer Kutsche. Abends musste der Kleine oft mit eiskalten Fingern spielen, tagsüber wurde er durchgeschüttelt. Immerhin hat der Papst ihn zum Ritter geschlagen, als er acht war. Und er komponierte sich die Finger wund. Mozart war dann später so eine Art wandelndes Radio«, erklärte ich meinen erstaunt dreinblickenden Gästen. »Im Dienste des Erzbischofs hatte er einfach ständig für Unterhaltung zu sorgen. Was der Kerl geleistet hat, ist heute für einen jungen Mann schier unglaublich. Er hat ständig neue Werke komponiert, aber mit der Hand, nicht mit dem Computer! Dann musste er sie noch einstudieren, und zwar mit zum Teil echt dämlichen Musikern, die das auf die Schnelle gar nicht in die Birne bekamen, zumal sie auch keine CD zum Üben hatten, geschweige denn einen iPod! Außerdem jeden Monat eine neue Messe für den Dom, Opern, Kammermusik, Klavierstücke, und dann musste er sich natürlich noch mit Kollegen im übrigen Europa kurzschließen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Und das alles für einen Hungerlohn, meine Damen und Herren. Irgendwann hatte er die Nase voll von dem erzbischöflichen Terror. Man hat ihn mit einem ›Tritt in den Arsch‹, wie er selbst an seinen Vater schrieb, aus erzbischöflichen Diensten entlassen. Mozart ist nur dreiunddreißig Jahre alt geworden und in einem Armengrab verscharrt worden.«
    Ich hatte es geschafft, dass keines meiner mir anvertrauten Schäfchen ins Fischgeschäft nebenan gestapft war oder bei H&M schnell ein Blüschen gekauft hatte. Lächelnd führte ich meine Gruppe weiter. Wir schlängelten uns durch die enge Getreidegasse am Rathaus vorbei zum Alten Markt, wo ich meine Gruppe auf das kleinste Haus Salzburgs aufmerksam machte. Alter Markt 10 a: vier Quadratmeter unter einer Dachschräge. In dem winzigen Schaufenster lagen drei Uhrenarmbänder. Das kleinste davon kostete 3 800 Euro. Ohne Uhr dran.
    Ich dirigierte meine schon schwer atmende, schwitzende Meute zum Residenzplatz und moderierte den Residenzbrunnen an, den ein weiterer Erzbischof ab 1656 im Stil der römischen Brunnen auf der Piazza Navona hatte bauen lassen. Damit hatte er sich gegen die hiesigen Architekten-Kleingeister durchgesetzt und den Italiener Tommaso di Garona engagiert, um den größten italienischen Barockbrunnen nördlich der Alpen erstehen zu lassen. Die Wasserfontäne spritzte weiße Gischt in den knallblauen Himmel, und ein bunter Regenbogen erstrahlte in ihr. Die Amis waren entzückt und rissen ihre Fotoapparate an die Backe.
    »Schauen Sie mal, was sich da abspielt, in dem Brunnen! Vier Pferde, und zwar Seepferde, wie Sie sehen, umrahmen drei Giganten, die – mühsam, aber doch! – eine riesige Steinschale auf den Schultern balancieren, in der enorme Fische mit enormen Schwanzflossen ein enormes Becken hochhalten, welches wiederum dem Meereskönig Triton als Sitzgelegenheit dient und ihm ermöglicht, aus seinem Muschelhorn einen Wasserstrahl in die Luft zu pusten! Wir Salzburger sagen, wenn er sich das Wasser auf die Brust pustet, gibt es schlechtes Wetter, wenn es auf seinen Rücken prasselt, scheint die Sonne. Na, haben wir recht? In diesem Schönwetter-Wasserstrahl wiederum hat sich durch die seitliche Sonneneinstrahlung ein Regenbogen gebildet, der diesen Moment unvergesslich macht! Schnell, meine Damen und Herren! Sie dürfen sich was wünschen!«
    Wieder waren die Amis begeistert und freuten sich wie die Kinder. Also, ehrlich gesagt freuten sie sich viel mehr als die Kin der. Jedenfalls mehr als MEINE KINDER . Die hätten

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