Der Überraschungsmann
Nacht wie ein Berserker für unser Haus und all das, wofür ich Kredite aufgenommen habe, und deine kleine Lisa, die nur ein bisschen trällert und ansonsten von einem Kapitän schwanger ist, liegt bei uns am Schwimmteich und sonnt sich. Da komme ich mir manchmal ein bisschen blöd vor.«
Ich wandte mich ab. »So siehst du das? Also echt, Volker, ich fasse es nicht! Nach allem, was sie durchgemacht hat.«
»Ja. Genau darum. Sie wollte unser Mitleid erzwingen. ADS nennt man so was. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.«
Ich lachte schrill auf. »Also wenn hier EINER ADS hat, dann DEINE MUTTER !«
Volker überhörte das.
»Warum bleibt sie nicht in ihrem kleinen Fertighaus? Warum muss sie bei uns am Schwimmteich ›abhängen‹?« Hier machte er verächtlich Gänsefüßchen in die Luft.
»Weil sie keinen Schwimmteich HAT ?«
»Es werden auch Fertigschwimmteiche geliefert …«
Ich starrte ihn mit offenem Mund an und wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
»Fertigschwimmteiche.«
»Ja, ihr Haus, ihren Balkon und ihren Rasen hat sie sich ja auch dahin geknallt.«
»Aber Volker, was soll sie denn da hinter ihrer Hecke, so ganz allein?«
»Eben: Ein Familienleben kann man nicht im Katalog bestellen und nach einem Tag liefern lassen.«
Ich klappte den Mund zu. Mir fiel nichts ein.
»Sie hat sich bei uns eingeschlichen wie ein Parasit.«
»Das ist nicht wahr! Du bist gemein!« War ich das? Hatte ich mit so schriller Stimme geschrien? »Lisa tut doch keinem was! Sie ist doch einfach nur DA !«
»Und deshalb musst du sie jetzt adoptieren oder was?«
»Ich mag sie! Lisa ist meine Freundin!«
»Und ich bin dein Mann.«
»Lisa ist hübsch und witzig und hilfsbereit und nett und unkompliziert …«
»Hast du alles schon gesagt! «
»Lisa braucht uns! Lisa ist uns quasi vom Schicksal ins Haus gespült worden, Lisa …«
»Lisa, Lisa, Lisa, Lisa, Lisa, Lisa, Lisa!«
»Hä?«
»Musst du schon im Bett öfter ihren Namen sagen als meinen?«
Das konnte nicht sein Ernst sein. So kannte ich meinen Mann gar nicht. Er hatte sich so verändert, seit Lisa in unser Leben getreten war! Er war doch nicht etwa EIFERSÜCHTIG ?
Einen Augenblick starrten wir einander an.
»Ach, weißt du was, Volker? Schlaf gut!«
Ich riss meine Decke vom Bett und schnappte mir mein Kissen. »Gute Reise nach Athen. Denk mal ein bisschen nach, wenn du Zeit dafür hast. Ich schlafe im Kinderzimmer!«
»So weit hat deine Lisa uns also schon gebracht, ja? Dass wir getrennt schlafen?«
»Ich liebe dich, Volker, aber im Moment bist du ein ganz bescheuerter Trottel.«
Wütend knallte ich die Schlafzimmertür hinter mir zu.
7
E in langes, einsames, kaltes, regnerisches Wochenende folgte. Ich musste bei Leonore zu Kreuze kriechen, sie abholen, bewirten, ihr beim Operettenträllern zuhören und bei den Kindern gut Wetter machen, die sich bockig in ihre Zimmer verzogen hatten. Sie wollten viel lieber Lisa! Aber Lisa war zu einem Opernseminar nach München gefahren. Sie wollte Così fan tutte noch mal ganz neu szenisch erarbeiten, bevor ihr dann die Schwangerschaft endgültig in die Quere kam.
»Ich bin ja wirklich schon gespannt auf dieses Mädchen«, sagte Leonore, als sie schließlich bei mir in der Küche saß. »Alle reden nur noch von ihr.«
»Na ja, sie ist sehr nett.« Kraftlos lächelte ich sie an.
»Wie ich höre, kann sie ganz nett singen. Ich werde sie mir mal anhören, ob sie was taugt.«
Oh, das würde mir diesen beschissenen Tag ECHT retten! Ich war so frustriert, dass ich Leonore am liebsten ihre Adlerhorstfrisur ruiniert hätte. Der schiefe Turm von Pisa saß heute wieder eins a. Doch ich war auf Oma Leonore angewiesen. Noch. Es gab kein Entrinnen. Ich musste zu meinem Job.
»Kinder, ich GEH dann mal«, rief ich und hämmerte an ihre Zimmertüren. »Oma Leonore ist da und singt euch gern was vor!«
»Hmpf.«
»Tschüss, bis später, ich liebe euch!«
»Von wegen!«
Es war wieder einer dieser kühlen Tage, an denen der Salzburger Schnürlregen seinem Namen alle Ehre machte, und eine reiche indische Familie wollte unbedingt zu den Rieseneishöhlen gebracht werden. Warum wollten die nicht nach Bad Reichenhall in die Sauna? Oder in die Therme nach Berchtesgaden? Nein, sie wollten bei diesem Hundewetter in die Eishöhlen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich seufzte. Wie gerne wäre ich jetzt mit meinem Volker in Athen gewesen! Da musste herrlichstes Sommerwetter sein! Aber mein armer Volker musste ja arbeiten. Und ich
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