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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Banklehne.
    Ich achtete darauf, ihn nicht zu berühren.
    »Sie können sich gern für eine Stadtführung anmelden«, erwiderte ich nüchtern. »Dann wird Ihnen ein Stadtführer zugeteilt.«
    »Ich meine, privat?«
    Also doch! Wollte der allen Ernstes eine allein stehende … na ja, also, allein sitzende … ähm … MUTTER anbaggern? Warum hatte ich mich bloß dazu hinreißen lassen, ihm solche Geschichten von Lustknaben und anderen Schweinereien zu erzählen? Klar wertete der das als Einladung! Hach, lernte ich denn auch GAR nichts dazu, wo ich doch längst eine verheiratete erwachsene Frau und mehrfache Mutter, Stiefmutter und Leihmutter war? Plötzlich fürchtete ich mich vor sei nem Arm, der unmittelbar hinter meinen Schulterblättern auf der Banklehne ruhte. Die Härchen darauf waren blond und standen irgendwie so unheimlich ab. Sprach der doch glatt fremde Frauen MITTLEREN ALTERS an, die offensicht lich Nachwuchs aufziehen. Pfui Teufel aber auch, wie ge schmacklos!
    »Privat ist bei mir nichts zu machen«, kanzelte ich den Kerl ab. »Wie Sie sich denken können, bin ich verheiratet.« Ich wedelte mit meinem Ehering vor seinem Gesicht herum. Fast hätte ich ihm einen Kinnhaken versetzt. »Mein Mann ist ein sehr angesehener ARZT .«
    Er zog seinen Arm weg und lachte. »Haben Sie das so ausgelegt? Oje! Nein, jetzt haben Sie mich aber völlig falsch verstanden!« Er rückte sofort von mir ab und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, die daraufhin in alle Richtungen abstanden: »Das ist mir jetzt aber wirklich unangenehm! Ich hätte mich tatsächlich gern von Ihnen durch die Stadt führen lassen. Ganz einfach, weil Sie viel interessantere Dinge erzählen als alle anderen! Aber das ist ja Quatsch, mit dem Kinderwagen …«
    »Mit oder ohne Kinderwagen ist das Quatsch!«, schob ich sicherheitshalber hinterher.
    »Entschuldigung! Ich wollte Ihnen keinen unsittlichen Antrag machen oder so …« Er lachte so entwaffnend, dass ich ihm augenblicklich verzieh.
    »Verstehe.« Ich blieb auf jeden Fall sitzen, schließlich war das MEINE Bank. Ich war ZUERST hier.
    »Ach so, ich sollte vielleicht erst mal sagen, wer ich bin. Justus Trunkenpolz.« Er streckte mir die Hand hin, und ich starrte auf die vielen goldenen Härchen, die auf seinem Arm in der Sonne leuchteten. WIE hieß der? TRUNKENPOLZ ? Mechanisch schüttelte ich seine Hand.
    »Grüß Gott, Herr Trunkenpolz«, sagte ich artig. Plötzlich musste ich hysterisch lachen. Meine schrille Stimme schallte über den Leopoldskroner Weiher und prallte am Untersberg ab. Das war ja wohl nicht sein Ernst? Nahm der mich jetzt auf den Arm oder was? Obwohl ich genau DAS nicht wollte! Weder auf noch in den Arm mit den goldenen Härchen.
    »Was ist daran so lustig?«, erkundigte sich Justus Trunkenpolz freundlich.
    »Keine Ahnung!« Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen, und aus irgendeinem Grund ging mein Lachen plötzlich in Weinen über. Meine Güte, war ich fertig mit den Nerven!
    »Barbara Wieser«, schluchzte ich und ließ seine Hand zu meinem eigenen Erstaunen gar nicht mehr los.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja, ich … ähm … bin nur ein bisschen überarbeitet.«
    Endlich ließ ich seine Hand los und wischte mir schnell über die Augen. Aus lauter Verlegenheit zeigte ich auf den Kinderwagen. »Und das ist Fanny. Mein Patenkind.«
    »Ich hab mir gleich gedacht, dass Sie nicht die Mutter sind«, sagte Justus Trunkenpolz plötzlich ganz ernst.
    »Warum nicht? Ich sehe zu alt aus, oder?« Meine Güte, ich weinte doch nicht schon wieder?
    »Nein, das nicht …«
    »Aber?«
    »Zu …« Er sah mir eine Sekunde prüfend in die Augen. »… unglücklich. Brauchen Sie ein Taschentuch?«
    »Ich bin doch nicht UN glücklich!«, brauste ich auf. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Ich weiß nicht – sagen Sie es mir!«
    »Wieso sollte ich? Wir kennen uns doch gar nicht!«
    Langsam ging mir dieser Justus Trunkenpolz doch auf die Nerven. Erst stand er da wie aus dem Boden gestampft, dann machte er mich an und wollte eine private Stadtführung, und jetzt analysierte er auch noch meine Psyche?!
    »Sie wirken einfach unrund«, erklärte Justus.
    »Unrund?« Das Gegenteil von rund? Also schlank. Das sollte wahrscheinlich ein Kompliment sein. Komischer Vogel, dieser Trunkenbold.
    »So als hätten Sie etwas Wichtiges versäumt.«
    Ups. Die Karriere vielleicht?
    »Quatsch«, entfuhr es mir.
    Verärgert sprang ich auf, um nun endgültig meine Schuhe und dann das Weite zu suchen. Au, was

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