Der unausweichliche Tag - Roman
Menge anderer Kinder, die wurden dann immer eingeladen, und wir bildeten Mannschaften für Kricket oder Schlagball. Wir mussten uns in einer Reihe aufstellen, um gewählt zu werden, und jeder hat gebetet, dass er gleich zu Anfang aufgerufen wurde, denn dann konnte man stolz sein, weil man zu der neuen Mannschaft gehörte.
Ich hatte es gut, weil alle wussten, dass ich ziemlich sportlich war, aber Anthony wurde nie gewählt. Er war immer der Letzte. Er blieb immer alleine übrig. Ich sehe ihn noch wie heute. Seine kleinen krummen Beine. Dieser Junge, der da übrig blieb, weilniemand ihn in seiner Mannschaft haben wollte. Und schon damals begriff ich irgendwie, dass ich der einzige Mensch bin, der zwischen Anthony und irgendeiner kolossalen … Tragödie steht. Und da habe ich mir etwas geschworen. Ich schwor mir, ihn nie loszulassen. Und das tat ich auch nicht. So sieht es aus, und dem habe ich nichts hinzuzufügen.«
Veronica wartete nicht, bis Kitty etwas sagte, da sie zweifellos wusste, dass ihre Geschichte Kitty nicht rühren würde. Sie drehte sich um und ging ins Haus zurück.
Kitty hielt sich an ihrem Becher fest. Sah Veronica hinterher, bis sie in der Terrassentür zum Salon verschwunden war. Dann drehte sie im Geiste einen Globus im Uhrzeigersinn: Marokko … Ägypten … Sri Lanka … Thailand … Australien …
Sie stellte sich das pulsierende Leben an diesen Orten vor, stellte sich vor, wie sie dorthin fahren, Teil dieses Lebens werden und alles, was sie sah, zu malen versuchen würde. Am liebsten wäre sie jedoch einfach mit einem Schlag irgendwo angekommen – am Landesteg irgendeines stillen Sees, in irgendeiner sauberen, unerschöpflich weiten Wüste – ohne die einsame Qual der Reise.
A ramon kaufte jetzt täglich die Zeitung.
An manchen Tagen gab es Fotos von Polizisten, die irgendwo ein Gebüsch durchsuchten. An anderen Tagen gab es nichts über den Verey-Fall – als wäre er schon vergessen. Und dann tauchten die Schlagzeilen plötzlich wieder auf: VERE Y : immer noch keine heiße Spur. VERMISSTER ENGL ÄNDER : Polizei bittet um Zeugen.
Und die ganze Zeit lauerte Aramon auf das Geräusch einer Sirene, auf die Ankunft der Polizei.
Manchmal glaubte er in den heißen Nächten zu hören, wie ein Polizeiauto langsam den holperigen Weg heraufgefahren kam und in einigem Abstand vom Haus hielt. Dann stürzte er aus dem Bett, presste das Gesicht an die Fensterscheibe und spähte durch die halb geöffneten Luken. Er kannte die Umrisse sämtlicher Schatten, die der Mond auf die Obstterrassen warf. Mit angehaltenem Atem versuchte er, jeden einzelnen zu identifizieren, während sein Herz wie ein nahender Zug ratterte und er auf das Bellen der Hunde wartete. Doch die Hunde blieben stumm.
In seinen Träumen wurde er von Serge verprügelt, weil er die Hunde vernachlässigte. Sein Rücken und sein Arsch wurden bei lebendigem Leibe gehäutet.
Eines Morgens ging er sehr früh, noch bevor es zu heiß wurde, nach draußen, öffnete das Tor des Zwingers, ließ die Hunde frei zwischen den Steineichen herumstöbern. Dann harkte er die stinkende Erde im Zwinger zusammen. Er band sich ein Taschentuch vors Gesicht. Er kehrte den ganzen Dreck an einer Stelle zusammen, lud ihn Schaufel um Schaufel in eine Schubkarre, kippte die Karre weiter draußen im Gelände aus und verteilte alles auf der trockenen Erde, wo Fliegen und Mistkäfer sich um die Reste kümmern konnten.
Dann schob er die Schubkarre zum Anbau hinter der Scheune, wo die Strohballen aufgestapelt waren. Er schlitzte einen neuen Ballen auf und begann, Stroh herauszuziehen und die Karre damit zu beladen. Er fühlte sich erschöpft. Das Taschentuch vor Mund und Nase war völlig durchweicht. Er riss es weg und warf es auf die Erde. Jenseits des Tals stieg die Sonne schon über den Gebirgskamm. Bring es zu Ende, befahl Aramon sich. Verteil das Stroh, füll den Wassertrog, pfeif nach den Hunden, schließ sie im Zwinger ein. Nimm einen Schluck Pastis, um dein Herz zu beruhigen. Dann geh schlafen …
Als die Karre voll war, schob er sie zum Zwinger zurück. Er rollte sie hinein, kippte das Stroh aus, nahm seine Mistgabel und begann, alles über den frisch geharkten Boden zu verteilen. Dann spürte er mit einem Mal, wie die Hitze ihm zusetzte, und unterbrach seine Arbeit. Als er sich aufrichtete, sah er etwas in der hinteren Ecke des Zwingers glitzern.
Er lehnte die Mistgabel gegen die Schubkarre und ging zu der Stelle. Er bückte sich. Er streckte den Arm
Weitere Kostenlose Bücher