Der und kein anderer Roman
hatte er Frauen immer mit jener künstlichen Messlatte gemessen, die er auch damals angelegt hatte, als er noch ein hormongesteuerter Jugendlicher gewesen war. Jetzt schämte er sich dafür. Gracies Schönheit hatte von Anfang an seine Aufmerksamkeit. Es war eine unverfälschte, innere Schönheit, die von ihrer angeborenen Güte gespeist wurde. Es war die Art seelischer Schönheit, die sie auch als alte Dame noch besitzen würde. Er liebte Gracie Snow, und er würde sie heiraten. Er würde sie tatsächlich heiraten, verdammt auch! Er wollte den Rest seines Lebens mit ihr verbringen, er wollte mit ihr Kinder bekommen und das Haus mit seiner Liebe ausfüllen. Diese Vorstellung verursachte ihm nicht etwa Panik, sondern ließ ihn vor Freude so jubilieren, dass er das Gefühl hatte, auf dem Tanzboden zu schweben. Er wollte sie hier und jetzt aus Dan Calebows Armen reißen und ihr sagen, dass er sie liebte. Er wollte sehen, wie sie vor ihm dahinschmolz. Doch das konnte er erst tun, nachdem er sich mit seiner Mutter ausgesprochen hatte.
Er blickte auf sie herunter. Sein Hals war wie zugeschnürt, seine Stimme klang anders als sonst. »Die ganze Zeit habe ich so getan, als ob meine Abneigung gegen Way rein persönlicher Natur sei. In Wahrheit jedoch habe ich mich gegen jeden Mann gestellt, mit dem du eine Beziehung begonnen hättest. Ein Teil von mir wollte dich ganz einfach
wegschließen und dich dein Leben lang um Papa trauern lassen, nur weil er mein Vater war und ich ihn geliebt habe.«
»Ach, Liebling …«
»Mama, hör mir zu.« Er sah ihr entschlossen in die Augen. »Eines weiß ich genau so sicher, wie ich meinen Namen kenne – Papa hätte nie und nimmer gewollt, dass ich so empfinde, und er hätte nie und nimmer gewollt, dass du darunter leidest. Eure Liebe füreinander war groß und selten, doch indem du der Zukunft den Rücken zukehrst, machst du sie wieder kleiner.«
Er hörte, wie sie einatmete. »Meinst du, das tue ich?«
»Ja.«
»Das wollte ich nicht«, bekannte sie leise.
»Ich weiß. Werden deine Gefühle für Sawyer jemals deine Liebe für Papa ändern können?«
»Nein, niemals.«
»Meinst du dann nicht, dass du wieder zu deiner normalen positiven Haltung zurückfinden solltest?«
Er konnte fast sehen, wie sie sich aufrichtete. »Ja. Ja, es ist wohl an der Zeit.« Einen Moment stand sie reglos da, dann umarmte sie ihn heftig.
Er sah sich um und peilte beim Tanzen eine ganz bestimmte Richtung an. Sie drückte liebevoll seine Schulter. »Du bist der wunderbarste Sohn, den sich eine Mutter jemals wünschen kann.«
»Mal sehen, ob du das noch sagen wirst, nachdem ich dich in eine peinliche Situation gebracht habe.« Er tippte Way Sawyer auf die Schulter, als er und seine Partnerin gerade an ihnen vorbeischwenkten. Sawyer blieb stehen und musterte ihn fragend.
»Wollen Sie Frau Baines den ganzen Abend über mit Beschlag belegen, Sawyer?«, fragte Bobby Tom. »Ich habe noch ein paar Dinge mit ihr zu besprechen. Nicht wahr, Frau Baines? Was halten Sie davon, wenn wir die Partner
wechseln?« Einen Moment schien Sawyer so überrumpelt, dass Bobby Tom schon glaubte, er würde diese goldene Gelegenheit verstreichen lassen. Doch dann hätte er die arme Judy Baines vor Eifer fast umgerannt, um seine Hände auf Suzy zu platzieren. Bevor sie sich von ihm entführen ließ, sah Sawyer Bobby Tom an. Noch nie zuvor hatte Bobby Tom in den Augen eines anderen Mannes so viel Dankbarkeit gelesen. Suzy ihrerseits betrachtete Sawyer mit einer Mischung aus Aufregung und Panik.
Bobby Tom nahm Judy Baines Hand. Jetzt wurde ihm klar, dass seine Liebe zu Gracie seine ganze Welt auf den Kopf gestellt hatte. Zu seiner großen Verblüffung gefiel ihm das. Er zwinkerte Sawyer mit einem spitzbübischen Grinsen zu. »Meine Mutter ist eine respektable Frau mit einem guten Ruf, den es zu verteidigen gilt. Ich erwarte also, dass Sie sich anständig benehmen. Und zögern Sie das Ganze nicht zu lange hinaus, denn wenn ich von irgendwelchen Missetaten vor der Feier hören sollte, wird Sie das teuer zu stehen kommen.«
Sawyer warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft. Gleichzeitig schlang er den Arm um Suzys Schultern und dirigierte sie von der Tanzfläche.
Judy Baines verdrehte sich fast den Hals, als sie den beiden nachschaute. Dann wandte sie sich Bobby Tom zu und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ich glaube, er nimmt sie mit hinter die Scheune.«
»Missetaten, Missetaten.«
»Wollen Sie etwas dagegen
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