Der und kein anderer Roman
Füße bekommen.
Obwohl er derjenige gewesen war, der darauf bestanden hatte, dass alle Außenaufnahmen dort stattzufinden hatten, war er doch nicht bereit, sich der gesamten Vergangenheit zu stellen. Ihm war zwar klar, dass er ein Held gewesen war, doch die Bürger Telarosas wollten den Begriff ›Vergangenheit‹ nicht gelten lassen. Sie wollten ihn immer noch für ihre Zwecke einspannen.
Seine Gegenwart würde wie gewohnt die Dinge wieder durcheinander bringen, und nicht jedermann dort würde ihn mit offenen Armen empfangen. Vor ein paar Monaten hatte er eine recht unangenehme Begegnung mit Way Sawyer gehabt, weil dieser die Firma Rosatech, die Elektronik herstellte und von der Telarosas wirtschaftliches Leben abhing, in eine andere Stadt hatte verlegen wollen. Der Mann war skrupellos, und Bobby Tom war nicht gerade erpicht darauf, ihm erneut zu begegnen. Er würde auch Jimbo Thackery wieder gegenübertreten müssen, Chef der örtlichen Polizei und seit Bobby Toms Schultagen mit ihm verfeindet. Das Schlimmste aber war, dass dort eine ganze Schar von Frauen auf ihn warten würde, die keine Ahnung davon hatten, dass sein sexuelles Interesse zeitgleich mit seiner Football-Karriere erloschen war. Er musste unbedingt sicherstellen, dass sie von diesem Detail seines Lebens nichts erfuhren.
Blind starrte er auf die Tastatur. Was würde er mit dem Rest seines Lebens anfangen? Er hatte so lange mit dem Jubel der Menge gelebt, dass er keine Ahnung hatte, wie man auch ohne auskommen konnte. Von Kindheit an war er immer der Beste gewesen. Der Beste von Texas, der Beste Amerikas, der beste professionelle Footballspieler schlechthin. Nun aber war er nicht mehr der Beste. Erfolgreiche Männer mussten dieser Krise ihres Lebens eigentlich erst ins Gesicht sehen, wenn sie sich in ihren Sechzigern zur Ruhe zurückzogen. Er aber war mit dreiunddreißig in Rente gegangen und hatte keinen blassen Schimmer mehr, wer er eigentlich
war. Er wusste, wie man ein herausragender wide receiver war, er wusste auch, wie man der höchstbezahlte Footballspieler sein konnte, doch hatte er keine Ahnung davon, wie man ein ganz gewöhnlicher Mensch war.
Ein besonders lang gezogenes weibliches Stöhnen aus dem Fernseher unterbrach seine Gedanken. Er runzelte die Stirn, als er sich daran erinnerte, nicht allein zu sein. Wirkliches Vergnügen war etwas, was in seinem Leben nur noch selten vorkam. Aus diesem Grund auch hatte er Gracie Snow den Tag über bei sich behalten. Doch als er sich daran erinnerte, wie er auf ihre Erregung reagiert hatte, war ihm nicht mehr zum Lachen zu Mute. Sich von einem Mauerblümchen wie Gracie inspirieren zu lassen – er wollte dieses Gefühl eigentlich gar nicht weiter analysieren -, bedeutete in gewisser Weise die endgültige Erniedrigung, das greifbare Symbol dessen, wie tief er in der Welt gesunken war. Natürlich war sie eine echt nette Frau, doch ganz sicher war sie für einen Bobby Tom Denton nicht geschaffen.
In dieser Minute fasste er einen Entschluss. Er hatte schon genügend Probleme in seinem Leben, er brauchte sich nicht noch mit zusätzlichen Schwierigkeiten belasten. Gleich morgen Früh würde er sich ihrer entledigen.
4
Die Kirchenglocken läuteten, als Gracie auf die Schlafzimmertür zusteuerte und vorsichtig anklopfte. »Bobby Tom, das Frühstück ist bereit.«
Keine Antwort.
»Bobby Tom?«
»Du bist tatsächlich wahr«, stöhnte er. »Ich hatte gehofft, du wärst nur ein Albtraum gewesen.«
»Ich habe Frühstück über den Zimmerservice bestellt, und jetzt ist es hier.«
»Mach dich aus dem Staub.«
»Es ist sieben Uhr. Wir haben noch zwölf Stunden Fahrt vor uns. Wir müssen unbedingt frühzeitig los.«
»Dieses Zimmer hat einen Balkon, Liebling. Wenn du mich nicht in Ruhe lässt, werfe ich dich über die Balustrade.«
Sie entfernte sich von der Schlafzimmertür und trat an den Tisch, wo sie ein wenig an dem Heidelbeereierkuchen knabberte, doch war sie noch viel zu müde, um wirklich Hunger zu empfinden. Die ganze Nacht über war sie beim kleinsten Geräusch aufgewacht. Sie war sich ganz sicher gewesen, dass Bobby Tom sich während ihres Schlafs davonstehlen würde.
Um acht Uhr, nachdem sie Willow über ihren bescheidenen Erfolg unterrichtet hatte, versuchte sie, ihn erneut zu wecken. »Bobby Tom, hast du jetzt ausgeschlafen? Wir müssen nämlich wirklich los.«
Keine Antwort.
Vorsichtig öffnete sie die Tür. Der Mund wurde ihr trocken, als sie ihn auf dem Bauch nackt auf dem Bett
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