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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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war, und machte ihr deshalb sooft es ging das Kompliment: »Sehr würdevoll, Mutter.«
    »Du bist ein Schatz«, sagte Charlotte, tätschelte ihr den Kopf und lief leichtfüßig die Treppe hinauf.
    »Ich werde jetzt nach Smudge sehen«, rief Emerald ihr nach. »Ja, tu das«, lautete die kaum noch hörbare Antwort ihrer Mutter.
    »Smudge?« Keine Antwort aus Smudges Schlafzimmer.
    »Smudge?«, lockte Emerald noch einmal, bevor sie den Türknauf drehte. Niemand wusste wieso, aber auf Sterne war jeder Türknauf anders. Dieser hier war aus schlichtem Porzellan ohne jede Verzierung. Andere waren bemalt, wieder andere aus farbigem Glas oder aus Messing, und dazu gab es welche aus geschnitztem oder einfachem Holz. Die Torringtons machten die Viktorianer dafür verantwortlich.
    Smudge schlief. Emerald setzte sich auf ihr Bett und ergriff ihre Hand, die oben auf der Decke lag. Als Smudge die Augen aufschlug, sagte Emerald: »Hallo, kleine Smudge. Soll ich dir etwas zu essen bringen?«
    Smudge klang schlaftrunken. »Nein. Oder vielleicht doch?«
    »Tust du nur so, als wärst du krank, oder ist diese Krankheit echt?«
    »Echt, glaube ich.«
    »Soll ich Dr. Tod rufen?«
    Natürlich war das nicht sein richtiger Name. Sein richtiger Name klang nicht einmal annähernd wie »Tod«, sondern lautete Harris. Während der Krankheit ihres Vaters hatte der Spitzname einen zunehmend morbideren und schrecklicheren Klang angenommen, war ihnen aber zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen, um ihn aufzugeben. Und in den letzten, von Verzweiflung erfüllten Tagen seines Lebens war er plötzlich wieder lustig geworden. Sie alle, einschließlich des entkräfteten Horace, hatten sich bei mehr als einer Gelegenheit kaum noch halten können vor Lachen, wenn der Name Dr. Tod fiel. Hatten gelacht, bis ihnen die Tränen kamen.
    »Ich weiß nicht. Würde er kommen?«
    »Natürlich. Was für Symptome hast du denn?«
    »Symptome?« Die blasse Stirn des Kindes legte sich in Falten.
    »Tut dir der Kopf weh? Hast du Schmerzen? Keinen Appetit?«
    »Ich bin nicht sehr hungrig, aber das liegt, glaube ich, daran, dass ich eine ganze Dose Kekse gegessen habe, die ich unter dem Bett hatte.«
    Emerald bückte sich, um nachzusehen. Tatsächlich stand unter dem Bett eine offene, innen golden schimmernde Keksdose, in der nur noch ein paar Krümel lagen.
    »Du weißt doch, dass du keine Kekse mit nach oben nehmen sollst. Sie locken die Mäuse an.«
    »Wir haben doch längst Mäuse. Da können wir sie genauso gut willkommen heißen.«
    »Es hat einfach keinen Zweck, mit Kranken zu streiten.«
    Smudge kicherte.
    »Mutter möchte, dass du am Abendessen teilnimmst«, sagte Emerald, obwohl ihre Mutter nichts dergleichen gesagt hatte. Das Kind erholte sich sofort auf wundersame Weise.
    »Wirklich? Mit den anderen Gästen? Famos.«
    »Wo um alles in der Welt hast du dieses ›famos‹ her?«
    »Von Clovis.«
    »Du solltest es nicht benutzen.«
    »Nur wenn ich muss.«
    Emerald griff sich die Keksdose und stand auf. »Hattest du noch andere Besucher?«
    »Was meinst du damit?«
    »Clovis oder Mutter oder Mrs Trieves?«
    »Nur die Tiere. Aber ich glaube, sie mögen keine kranken Menschen.« Plötzlich fing Smudge an zu weinen. »Sie sind wieder gegangen«, sagte sie.
    Emerald beugte sich über sie und küsste sie.
    »Dummchen«, sagte sie. »Ich hole dir etwas Suppe und Brot. Du bist ja schon ganz wirr im Kopf. Die Hunde lieben dich, und Lloyd liebt dich auch. Sieh nur. Da ist er ja schon.«
    Der getigerte Kater kam gewichtig ins Zimmer stolziert, mit dem Gebaren, das Katzen so an sich haben, wenn sie einem mitteilen wollen: Ich weiß genau, dass ihr über mich redet, aber ich werde euch trotzdem nicht beachten.
    Er gab sich sehr überrascht, als Emerald ihn hochhob und auf Smudges Bett setzte, wo er sich gnädigerweise festhalten ließ und zu schnurren anfing.
    Nun, da Lloyd ihr Gesellschaft leistete, waren Smudges Tränen schnell versiegt, und Emerald ging nach unten, um etwas Suppe zu besorgen, falls es welche gab.
    In der Küche herrschte heller Aufruhr. Es war ein Wunder, dass keine Spur davon ins Haupthaus übergeschwappt war. Florence Trieves und Myrtle schufteten wie die Berserker und waren zwischen Mehlwolken und Dampfschwaden kaum zu sehen, während sie zwischen Schränken und Tischen hin und her hasteten und, völlig aufgelöst und erhitzt, bei Emeralds Erscheinen nur kurz innehielten, um den Kopf zu heben und zu fragen: »Was ist?«
    Eine Tonschüssel enthielt ein

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