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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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das Kleid locker darüber und war sehr angetan von ihrer Aufmachung. Es war Zeit, nach unten zu gehen.
    Als sie nach dem Türknauf griff, fing er an, sich langsam und wie von selbst zu bewegen.
    Einen Augenblick lang glaubte sie, ihn mit ihrer bloßen Absicht bewegt zu haben, aber da kam ihre Mutter herein.
    »Smudge, mein Liebling.«
    Charlotte, die Myrtle rücksichtslos – es gab kein anderes Wort dafür – mit Beschlag belegt hatte, war elegant und opulent in moirierte Seide gekleidet und sah aus wie eine Meerjungfrau. Oben auf ihren hochgetürmten, dichten blonden Haaren thronte eine Tiara. Smudge hätte den Spitzenkragen und die Diamanten am schlanken Hals ihrer Mutter nur zu gern berührt, hütete sich aber wohlweislich und verschränkte die Hände auf dem Rücken. Charlotte umschlang ihre Tochter mit ihren nackten, duftenden Armen, wobei die Stola von ihren glatten Schultern glitt, setzte sich dann aufs Bett und nahm ihre Hand.
    »Hast du dich für Emeralds Party so fein gemacht?«
    »Hm.« Entweder registrierte ihre Mutter nicht, wie ausweichend diese Antwort klang, oder sie war nicht neugierig.
    »Du siehst großartig aus.«
    Sie musterte das Zimmer mit der schäbigen gelben Tapete und den dicken, gekritzelten, sich teils überschneidenden Umrissen der Tiere, die in Richtung Fenster marschierten, verschmiert und verkompliziert durch nachträglich eingefügte Details und missglückte Anfänge. »Und deine wundervollen Wände – wie klug du bist! Willst du wissen, was ich für deine Schwester habe?«
    »Als Geschenk? O ja! Was ist es?«
    »Du musst aber versprechen, es nicht zu verraten.«
    Smudge platzte fast vor Neugier. »Versprochen.«
    Charlotte, ein seltener Gast in Smudges Zimmer, ein Engel der Billigung, eine Göttin der Zerstreuung und vieler wichtiger Dinge, die Smudge nicht oft betrafen, flüsterte ihr ins Ohr: »Ein Kätzchen.«
    Smudge war begeistert.
    »Welche Farbe hat es?«, flüsterte sie mit Mühe.
    »Es sieht ganz ähnlich aus wie du, Smudge: Es ist anthrazit.«
    »Meinst du, Lloyd wird eifersüchtig sein?«
    »Mit Sicherheit. Alle Katzen sind eifersüchtig. Aber das heißt nicht, dass wir uns von ihnen schikanieren lassen dürfen. Er hat seine Mäuse. Und er hat dich.«
    »Stimmt, er hat mich. Er schläft oft hier, und er bringt mir seine Beute. Ich tue immer so, als würde ich sie aufessen, um höflich zu sein, aber dann werfe ich sie aus dem Fenster, sobald er …«
    Charlotte wollte Smudges Geschichten nicht hören.
    »Ja, Liebes, ist gut. Ich habe das Kätzchen von der Bowes-Farm. Was hältst du davon, wenn wir es Tenterhooks nennen?«
    »Wegen der Krallen?«
    »Möchtest du es Emerald beim Essen überreichen?«
    »O ja! Darf ich es jetzt sehen? Bitte, Mutter.«
    »Nein, nicht jetzt … Du weißt doch, dass ich dich nicht in meinem Schlafzimmer haben möchte.« Smudges Zeit war abgelaufen, Charlotte wurde wieder vage. »Ich dachte, ich tue es in eine Schachtel, das müsste eigentlich gehen, wenn es nicht für zu lange ist. Es ist noch sehr klein.«
    Sie stand auf, gab Smudge einen weiteren Kuss und ging. Smudge schlang begeistert die Arme um ihren Oberkörper.
    In ihren jadegrünen Seidenslippern trippelte Charlotte die Treppe zur Spülküche hinunter und öffnete, unten angekommen, die Tür. Der Blick, der sich ihr bot, war für sie ungewohnt – von der Rückseite der Spülküche, neben der Tür zum alten Haus. Vorbei an Türmen von abtropfendem, abgewaschenem Geschirr, noch unangetasteten Pfannen, in denen das Fett allmählich hart wurde, Stapeln von Tassen, Teekannen, Milchkännchen und Tabletts – ebenfalls unabgewaschen – fiel ihr Blick durch die breite Tür in die eigentliche Küche, wo Florence Trieves mit dem Rücken zu ihr konzentriert an irgendeinem unsichtbaren Gericht arbeitete, das ihr offenbar Schwierigkeiten bereitete, denn sie stieß ein lautes »Herrgott noch mal!« hervor und schüttelte frustriert den Kopf.
    Emerald, ähnlich konzentriert, arrangierte Pâté auf einer ovalen Fischplatte, sorgfältig darauf bedacht, die Sülzeumhüllung nicht zu beschädigen, und rückte mit der Spitze ihres kleinen Fingers ein Lorbeerblatt zurecht. Sie war noch nicht zum Essen umgezogen, sah Charlotte, sondern trug noch ihr inzwischen ziemlich schlaffes Nachmittagskleid, das nicht so recht zu ihren perfekt frisierten Haaren passte.
    »Braucht ihr Hilfe?«, bellte Charlotte, um die beiden zu erschrecken. Haushälterin und Tochter fuhren herum.
    »Mutter!«
    Florences Gesicht war

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