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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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bisherigen Besucher in den Schatten lauern zu sehen. »Aber wir haben nicht damit gerechnet, dass noch mehr kommen.«
    »Haben Sie denn kein Telefon? Hat die Eisenbahn Sie nicht kontaktiert?«
    »Da drüben steht es.« Clovis deutete auf das Gerät. »Aber wir haben nicht das Geringste gehört. Es tut mir leid, Sie müssen mich für entsetzlich unhöflich halten. Kommen Sie doch herein. Ich …« Er unterbrach sich, sah sich um und fragte sich plötzlich, was Emerald und seine Mutter jetzt wohl von ihm erwarteten. Was sollte er mit dem Fremden anfangen, ohne ihre ach so wichtigen Dinner-Arrangements durcheinanderzubringen? »Ich frage mich, wo die gute Mrs Trieves abgeblieben ist …« Plötzlich hatte er eine Idee. »Wissen Sie was, vermutlich sollte ich Sie erst einmal den anderen Überlebenden vorstellen.«
    »Vermutlich. Vielen Dank«, sagte der Irrgänger, und die beiden begaben sich zum Frühstückszimmer und ließen Smudge allein.
    Immens erleichtert sah sie sich eine Weile in der leeren Halle um, bevor sie sich an ihren ursprünglichen Zeitplan erinnerte. Sie durfte sich auf keinen Fall von ihrem Großen Unterfangen abbringen lassen. Sie zuckte die Schultern, schüttelte sich und huschte in den hinteren Teil des Hauses.
    Clovis führte den Neuankömmling mit schnellen Schritten durch den Korridor und öffnete die Tür zum Frühstückszimmer, in dem die Gäste – die Überlebenden vielmehr – das Feuer umlagerten. Sie drängten sich darum herum, als hofften sie, im Kamin irgendetwas zu entdecken. Bei seinem Eintreten drehten sie sich aufgebracht und bedrückt um, und mehrere Stimmen riefen:
    »Es gibt keine Kohlen mehr!«
    »Kein Feuerholz!«
    »Überhaupt nichts Brennbares!«
    Clovis war wie vor den Kopf gestoßen. Sie alle – es schienen fünfzehn, zwanzig oder sogar mehr zu sein – drängten ungehalten auf ihn zu, und die Beschwerden, die sich übereinanderlagerten, klangen fast wie ein Chor: »Uns ist kalt! Wir haben Hunger!«
    Um die Sache noch schlimmer zu machen, wandte sich der Neuankömmling, Charlie Treverish-Beacon oder Haversham-Trevor – Clovis hatte sich den verflixten Namen nicht gemerkt –, mit beträchtlicher Verwunderung zu ihm um und rief vorwurfsvoll: »Soll das etwa heißen, dass diese armen Teufel seit dem Unfall hier drin zusammengepfercht sind?« Und mit diesem verblüffenden Seitenwechsel löste er sich von Clovis und verschmolz mit finsterem Blick mit der Masse der Passagiere.
    Clovis war so verwirrt, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Aber schon kam Haverish-Treechers wieder auf ihn zu. Er trug, wie Clovis jetzt erst sah, eine rote Weste von einer sehr intensiven Farbe, irgendetwas zwischen Pflaume und Rotwein; eine rubinrote, portweinfarbene Weste, befremdlicherweise aber keine Krawatte, deren Fehlen seinem Näherkommen etwas Wildes verlieh.
    »Es sind Frauen und Kinder hier. Wollen Sie etwa, dass sie vor Schwäche zusammenbrechen?«
    Nun, da die kleine Menge einen Vorkämpfer und Fürsprecher gefunden hatte, verstummte sie wieder und beobachtete in aller Stille die beiden Männer, um zu sehen, wie die Sache ausgehen würde.
    »Haben Sie denn keinen Tee bekommen?«, erkundigte sich ein nervöser Clovis und sah sich endlich unter den blassen Gesichtern um. Widerstrebend räumten sie ein, dass man ihnen Tee gebracht hatte, ein Eingeständnis, das fast so etwas wie eine stillschweigende Entschuldigung war. Niemand, dem Tee serviert wurde, hat wirklichen Anlass für ernsthafte Beschwerden.
    »Auf ein Wort.«
    Der Sprecher trat energisch auf ihn zu und beugte sich vertraulich vor. Clovis, wieder auf dem falschen Fuß erwischt, konnte gerade noch verhindern, dass er zurückzuckte. Das alles war zu befremdlich. Aber der Fremde lächelte.
    »Könnten wir uns einen Moment draußen unterhalten?«
    »Natürlich.« Es gab nichts, was Clovis lieber war, als dieses Zimmer verlassen zu können, in dem es inzwischen roch wie in einem Bahnhofswartesaal – nach ausdünstenden Mänteln und glitschigen Regenhäuten, nach feuchter Wolle und alten Teppichen, nach nassem Hund! Am liebsten hätte er auch dem wetterwendischen Mr Wer-immer-er-auch-war die Tür vor der Nase zugeschlagen und ihn bei den anderen zurückgelassen, wagte es aber nicht und fürchtete, sie würden sich alle auf ihn stürzen, wenn er es versuchte.
    »Hier entlang«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme.
    Misstrauisch beäugt von den aufgebrachten Passagieren traten der junge Mann und der Besucher in die kühle Luft des

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