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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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puterrot. »Ach, Sie sind’s. Ja. Halten Sie das hier.«
    Charlotte überquerte die Steinplatten, nahm im Vorbeigehen eine weiße Schürze von einem Haken an der Tür der Spülküche und streifte sie sich über den Kopf.
    »Das hier« war ein knotiger Hautlappen, den Florence mit einer dicken Nadel zunähen wollte, damit die aromatische bröselige Farce nicht aus dem Vogel entweichen konnte, in den sie fest hineingestopft worden war.
    »Grundgütiger, Florence«, sagte Charlotte. »Sie können doch nicht im Ernst glauben, dass dieser Vogel rechtzeitig fertig wird? Es ist doch sicher schon nach sieben.«
    »Zehn nach«, presste Florence durch zusammengebissene Zähne, stieß die Nadel in den Hautlappen und zog den leicht blutigen Faden durch.
    Charlotte erbarmte sich ihrer und verzichtete auf weitere Boshaftigkeiten. »Emerald, du solltest wirklich gehen und dich umziehen. Ich bin ja jetzt hier. Was kann ich noch tun, um Ihnen zu helfen, Florence?«
    »Nichts, Mrs Swift. So weit käme es noch. Außerdem sind Sie schon für die Party umgezogen. Ihre Juwelen könnten in die Suppe fallen.«
    »Was ist noch nicht erledigt?«
    »Fragen Sie lieber, was erledigt ist.«
    »Sind die kümmerlichen Kreaturen noch im Frühstückszimmer?«
    »Sind sie.«
    »Ich habe versucht, die Eisenbahn anzurufen«, sagte Emerald. »Wir haben immer noch nichts gehört.«
    »Was für eine unglaubliche Ineffizienz. Wo ist Myrtle?«
    »Macht Miss Sutton die Haare.«
    Charlotte verzog abfällig die Lippen. »Miss Sutton …« Emerald gab ein ärgerliches Geräusch von sich, sagte aber nichts. »Und wenn sie mit ihr fertig ist?«
    »Muss sie den Tisch decken.«
    »Was? Der Tisch ist noch nicht gedeckt?« Charlotte war fassungslos.
    »Nein.«
    »Dann übernehme ich das.« Sie sah auf den zugenähten Vogel hinunter. »Kann ich dann gehen?«
    Florence griff sich ein kurzes Messer und setzte es zu einem präzisen Schnitt an. »Ja«, sagte sie. »Danke.«
    Emerald richtete sich auf und wischte sich die Hände an einem Tuch ab, das von ihrer Taille hing. »Ja, danke, Mutter«, sagte sie gerührt.
    In der Tür legte Charlotte die Schürze ab, betastete prüfend ihr Haar und flüsterte: »Denkt ihr manchmal auch, es wäre besser, aufzugeben?«
    »Das Haus?«, fragte Florence.
    »Diesen Kampf, ja«, antwortete Charlotte, ohne auf Emeralds verzweifeltes Gesicht zu achten.
    Florence warf ihr einen Blick zu, in dem die Vertrautheit von Jahren lag. »Nein, Charlotte«, sagte sie. »Wir halten uns doch sehr gut.«
    »Wenn Edward zurückkommt, wird die Frage sich wahrscheinlich sowieso erledigt haben; dann werden wir es wissen, so oder so.«
    Charlotte, Emerald und Florence verharrten in einem kurzen, aber zutiefst bedrückten Schweigen. Dann sagte Florence: »Nun gehen Sie schon, Mrs Swift.«
    »Danke, Mrs Trieves. Vorwärts!«, rief Charlotte gleichzeitig aufmunternd und geistesabwesend, und machte auf dem Absatz kehrt.
    Florence zog die Backofentür mit dem Fuß auf, griff sich, umwabert von der hervorquellenden Hitze, den schweren eisernen Bräter mit dem Vogel und schob ihn hinein. »Und Sie gehen und ziehen sich um, Emerald«, sagte sie. »Sie sehen furchtbar aus.« Emerald ging.
    Charlotte betrat das Esszimmer, schloss beide Türen und zog die Vorhänge vor. Als sie sicher war, unbeobachtet zu sein, huschte sie geschäftig durch den großen Raum und arrangierte Besteck, Geschirr und Gläser mit zielstrebiger Akkuratesse. Bald schon war der Tisch gedeckt. Silber und Porzellan schimmerten auf Damast, Kerzenhalter und Schalen mit fest geschlossenen seidenen Rosenknospen zierten die Mitte der Tafel.
    »Perfekt«, hauchte sie in der Tür und glitt aus dem Zimmer.
    Sie würde sich ein Weilchen an ihr offenes Fenster stellen, um sich abzukühlen, dann ihre Hände gründlich mit Laugenseife waschen und sie anschließend mit Lavendelwasser einreiben, um jeden Rest Silberpolitur zu vertreiben. Niemand würde wissen, dass sie sich zu niederer Arbeit herabgelassen hatte.
    Nur sechs der ungefähr ein Dutzend Uhren, die es auf Sterne gab, funktionierten, und davon zeigten nur drei wenigstens ungefähr die korrekte Zeit an. Es war irgendwann nach sieben. Alle zogen sich um oder waren sonst wie beschäftigt. In den unteren Räumen des Hauses war es still, nur in der Küche und im wimmelnden Bienenstock des Frühstückszimmers herrschte Aktivität. Es war die kostbare Ruhestunde vor dem Dinner, in der alles vorstellbar ist.
    Smudge schlich allein die Treppe hinunter, stolz

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