Der ungeladene Gast
zwischen den Brüsten durchgeschwitzt. Ihre Oberschenkel fühlten sich heiß an, die feuchte Baumwolle ihres Schlüpfers scheuerte faltig zwischen ihnen, und ihre Füße in den fest geschnürten Stiefeln waren angeschwollen. Sie war zwischen Kessel und Hackbrett hin und her gelaufen, zwischen Küche und Vorratskammer; hatte geschnitten, gerührt und mit fliegenden Fingern hastig, aber umsichtig dies und das auf kostbaren Servierplatten angerichtet, bis sie glaubte, in Tränen ausbrechen zu müssen.
»Mrs Trieves?« Myrtle mit ihrem runden, glänzenden Gesicht wollte schon wieder etwas von ihr, wie schon den ganzen Nachmittag, wie schon den ganzen Tag, außer zwischendurch, wenn sie plötzlich für scheinbar endlos lange Zeiten verschwand, natürlich gerade dann, wenn sie am dringendsten gebraucht wurde.
»Ma’am?«
»Ja? Wo bist du nur gewesen, Myrtle?«
»Ich habe Mrs Swift die Haare gemacht, Ma’am.«
Florence war mit den Gedanken schon wieder woanders. »Ach so, ja.«
»Und wo Pearl Meadows nicht da ist, muss ich jetzt als Nächstes Wasser auf die Zimmer bringen, und Miss Em hat gefragt, ob ich auch Miss Sutton die Haare machen kann, und da wollte ich fragen, ob ich den Tisch vielleicht erst hinterher decken kann, bloß muss ich mich ja auch noch um die Feuer kümmern.«
Florence versuchte, tiefer zu atmen, als ihre Kleidung es zuließ.
»Ist gut, Myrtle. Bring das Wasser nach oben und kümmere dich um Miss Sutton, falls sie schon so weit ist. Ich mache so lange hier weiter. Wir …« Sie unterbrach sich und blickte mit leeren Augen auf die Wand neben Myrtles Kopf. »Wir …«
»Ma’am?«
»Die Passagiere …« Die drückende Schwere des Gedankens an das Frühstückszimmer, vollgepackt mit Fremden in Mänteln, ließ sie erstarren. »Ma’am?« Florence spürte, wie der Schweiß an der Innenseite eines ihrer dünnen Beine herablief. Sie riss sich zusammen, konzentrierte sich wieder auf die noch zu erledigenden Arbeiten und sagte in aller Hast: »Lass mich nachdenken: Der Tisch muss gedeckt werden, die Feuer nachgelegt, der Wein bereitgestellt. Heißes Wasser auf die Zimmer, Haare, ankleiden, Vorspeisen, das restliche Abendessen, und natürlich Mrs Swifts Toilette.«
»Ja, Ma’am.«
Ihre Stimme stieg zitternd an, als sie hinzufügte: »Und dann dieser Unfall …« Sie bekam sich wieder unter Kontrolle. Das tat sie immer. »Nun ja.« Stille. »Ich denke, wir beide zusammen schaffen das schon.«
Myrtle schluckte. »Ja, Ma’am. Mrs Swift ist übrigens so gut wie fertig.«
»Vielen Dank. Dann lauf los. Bring das heiße Wasser nach oben.«
Myrtle verschwand: in die Spülküche, um die Emaillekrüge mit heißem Wasser zu füllen, dann die Hintertreppe hinauf, die unter ihrem Gewicht und dem der Krüge ächzte.
Es gab zweierlei, wofür Smudge sich ankleiden musste: die Party und ihr Großes Unterfangen. Ein Blick durch das offene Fenster verriet ihr, dass es draußen nicht nur ziemlich dunkel war, immerhin war es schon nach sieben, sondern auch der Geruch von Donner in der Luft hing. Smudge hätte nicht genau sagen können, wie Donner roch – vielleicht wie aufgewirbelter Kohlenstaub –, wusste aber, dass sie seinen intensiven Geruch immer schon gekannt hatte. Auch den von Blitz, der beißender und für jeden wahrnehmbar war – wie Schießpulver und Zitronen. Ja, ein Gewitter zog auf, und als sie sich aus ihrem Fenster hoch über dem gekiesten Hof beugte und der Pfad, der am alten Haus entlang zum Küchengarten und zu den Ställen führte, winzig unter ihr lag, wie ein Band, konnte sie spüren, wie die Luft sich auflud. Sie stellte sich gern vor, dass die konzentrierte Elektrizität in den Telefondrähten und die dünne Elektrizität in der Luft sich gegenseitig zum Schwingen brachten.
Sie schnupperte die Dunkelheit, die mit der Nebelwand vor ihr verschmolz, die – ganz schwach – die Lichter des Hauses widerspiegelte. Die grobkörnigen Sterne über ihr wurden immer wieder von huschenden Wolken verdeckt, als der Wind an Kraft gewann.
»Ja«, hauchte sie. »Ich bin froh, dass ich meine Wollstrümpfe angezogen habe.«
Sie trug ein mitternachtsblaues Samtkleid, das Emerald gehört hatte und ihr viel zu weit war, und darunter zwei Schlüpfer, ein wollenes Leibchen, ein Unterhemd und einen Unterrock aus steifem Taft, der ein oder zwei versengte Stellen von einem zu heißen Bügeleisen aufwies. Da das Kleid auch zu lang war, band sie sich einen Seidenschal von Clovis als Gürtel um die Taille, zog
Weitere Kostenlose Bücher