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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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allerdings rein gar nichts nützte: Ein Streifen gelben Lichts erschien über ihr und zerteilte die Luft wie ein Breitschwert, als Robert die Tür aufstieß und rief: »He! Wer da?« Seine Stimme klang so laut und herrisch, dass Smudge anfing, wie Espenlaub zu zittern. Weh dem armen Einbrecher, der Robert über den Weg lief, dachte sie.
    »Ich bin’s nur, Smudge«, antwortete sie kleinlaut.
    »Sie – und Lady? Was hat das alles zu bedeuten, Miss Imogen?«
    Smudge duckte sich unter Ladys Hals hindurch und sah zu Robert auf, der sich als Silhouette über ihr abzeichnete. Dann tauchte Stanley neben ihm auf, und sie sahen zu zweit auf sie herab. Smudge hatte das Gefühl, auf einem schwarzen Meer zu treiben, auf dem die beiden sie vom Ausguck eines Schiffs aus entdeckt hatten. Bloß dass sie nicht gerettet werden wollte.
    »Nun?«
    »Die Gäste wollen Lady sehen«, rief Smudge mit selbstsicher klingender Stimme. Allmählich fand sie Gefallen an der Aufregung der Täuschung.
    »Jetzt? Wozu denn das?«
    »Sie wollen sie sich ansehen, vorne vor dem Haus, weil ich ihnen so viel von ihr erzählt habe und sie …« Ihre Stimme versagte, aber sie fasste sich wieder. »Ich glaube, sie wollen einfach nur nett zu mir sein.«
    Das hörte sich großartig an, sie war begeistert von sich selbst. Am liebsten hätte sie einen Freudentanz aufgeführt. Das würde Robert auf jeden Fall glauben.
    »Verstehe … Aber wieso hat man mich nicht gerufen?«
    »Weil Sie doch jetzt zu Abend essen. Und – und – weil ich so gebettelt habe, Lady selbst holen zu dürfen.«
    Eine Pause trat ein, in der die ahnungslose Lady ein Schnauben ausstieß.
    »Also gut. Und wie lange soll das Ganze dauern, Miss?«
    Smudge gab sich ahnungslos. »Ach, ich weiß nicht. Bis sie genug davon haben. Sie wissen doch, wie Erwachsene sind.«
    »Allerdings«, sagte er knapp. »Passen Sie jedenfalls auf Ihre Zehen auf, Sie haben ja nicht mal die richtigen Stiefel an. Und wenn ich Sie nicht bald wieder hier sehe, komme ich selbst zum Haus.«
    »Ist gut, Robert. Danke.«
    Smudge zog am Halfter und setzte ihren Weg durch die Dunkelheit fort. Jetzt, wo sie Roberts Autorität im Rücken und Lady an ihrer Seite wusste, hatte sie überhaupt keine Angst mehr, aber sie wartete, bis Robert die Tür zu seiner Wohnung wieder geschlossen hatte, und zählte bis zehn, bevor sie Lady über den Rasen führte.
    Lady war es gewohnt, die Auffahrt zu benutzen, und Smudge musste ihr gut zureden, bevor sie die Hufe auf das Gras setzte. Aber sobald sie es getan hatte, senkte sie den Kopf, um zu fressen und mit ihren stumpfen Zähnen an den Halmen herumzurupfen. Rasen, gestutzt und verboten, war für das Pony wie eine Droge, und Smudge war gezwungen, Lady einen klatschenden Schlag auf den Bauch zu versetzen, damit sie mit der Völlerei aufhörte.
    »Komm endlich«, sagte Smudge. Gemeinsam gingen sie aufs Haus zu.
    Als sie es erreichten, blieben das Pony und das kleine Mädchen einen Moment abwartend unter der Magnolie stehen, deren weiße Blütenkerzen kein Licht warfen.
    Smudge fühlte Ladys stoßweisen Atem warm auf ihrer Handfläche, als sie durch die Fenster spähte.
    Niemand zu sehen.
    Sie wartete, bis ihr wild hämmerndes Herz sich einigermaßen beruhigt hatte. Dann – und erst als sie überzeugt war, dass niemand sie beobachtete – näherte sie sich der Hintertür. Das Ende der Leine in der einen Hand, griff sie mit der anderen nach dem schweren Ring, drehte ihn und drückte die Tür auf. Lady zuckte beim Anblick des hellen Lichts ein wenig zusammen. »Nur keine Bange, Lady«, sagte Smudge und führte sie entschlossen weiter.
    Der Schirmständer versetzte Lady einen kurzen Moment lang in Angst und Schrecken, aber Smudge duldete jetzt, wo sie ihrem Ziel so nahe waren, keine Unbotmäßigkeiten. »Brav, brav, schön weitergehen«, befahl sie.
    Ihr Großes Unterfangen war in greifbare Nähe gerückt. An diesem Samstag, dem Vorabend des Ersten Mai, würde das Pony namens Lady in Kohlestrichen verewigt werden. Sie musste Lady nur dazu bringen, ihr brav Modell zu sitzen, und schon wäre es erledigt. Beim Gedanken an die Modell sitzende Lady musste Smudge die Hand vor den Mund schlagen, um ein Kichern zu unterdrücken. Natürlich würde Lady nicht wirklich sitzen, nur Zirkusponys setzten sich hin, auf Fässer oder auf Clowns und dergleichen, und dafür war Lady viel zu würdevoll und viel zu gewichtig.
    »Pst, Lady«, flüsterte sie. »Komm mit. Wir gehen jetzt rein.«
    Das Pony tat den ersten

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