Der ungeladene Gast
Zimmer ihrer Mutter vorbei! Die Aufregung brauste über sie hinweg wie ein Windstoß, riss sie fast von den Füßen. Vor Begeisterung hätte sie zu gern laut geschrien, wäre am liebsten juchzend den Korridor hinauf- und hinuntergerannt, wollte jubeln und Rad schlagen, dass ihre Unterwäsche hervorblitzte, so lange, bis ihr schwindlig wurde. Das Ankleidezimmer ihrer Mutter, das gestreifte Zimmer, das von Clovis … Sie hatten es geschafft, sie waren an der Ecke, umrundeten sie. Ihre Hand legte sich auf den Türknauf, drehte ihn, die Tür war offen. Ihr Zimmer – wie winzig es aussah! – lag vor ihr, und dann, dann war das Pony drinnen.
Smudge hatte einige Mühe sich umzudrehen, weil Ladys Hinterteil gegen das Bett stieß, aber sie schaffte es, machte die Tür wieder zu und schloss sie ab.
Plötzlich fühlte sie sich so schwach, dass sie sich gegen die verschlossene Tür lehnen musste. Ihr Puls und jeder fühlende Teil von ihr sackten nach unten. Sie schien in einen Abgrund zu stürzen, kam sich vor wie eine zum Zerreißen gespannte Geigensaite, die von einem Moment auf den anderen durchschnitten wurde und nun schlaff und haltlos herunterhing. Beim Gedanken an das, was sie getan hatte, wurde ihr ganz schwindlig, sie fühlte sich schwach und außer Atem. Vernunft und fiebrige Verwunderung tobten in ihr.
Lady dagegen schien nicht die geringste Ahnung zu haben, in welch ungewöhnlicher Situation sie sich befand. Gedankenvoll beschnupperte sie die Bettdecke, aber Smudge sah, dass ihre Gedanken nicht sehr tiefgründig waren.
Sie richtete sich wieder auf, knotete Clovis’ Tuch fester um ihre Taille und fand allmählich ihr Gleichgewicht wieder. Sie hatte sich den perfekten Abend ausgesucht, niemand würde das Pony bemerken, während die Party im Gang war – Erwachsene konnten sich immer nur auf eine Sache konzentrieren. Sie war dabei, ihr Großes Unterfangen in die Tat umzusetzen. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Ich glaube, ich besorge dir lieber etwas zu essen«, sagte sie zu dem Pony. »Nicht dass du anfängst, dich zu langweilen, und die anderen durch dein Wiehern auf uns aufmerksam machst.«
STINTE UND SCHERBEN
John Buchanans blauer Rolls-Royce glitt zwischen den beiden unpraktisch kleinen Torhäuschen hindurch, die den Anfang der Auffahrt zu Sterne bildeten. Im selben Moment erhellte der erste Blitz die sanft geschwungenen Zinnen und hob den scharf gezackten Schotter hervor, mit dem der Weg befestigt war. Das Krachen des Donners folgte wenige Augenblicke später, so als schlage jemand mit einem Nudelholz auf einen Blecheimer, um die Ratten zu verscheuchen. Aber John auf seinem bequemen Ledersitz, eingehüllt in das behagliche Schnurren des Autos, brauchte die Elemente nicht zu fürchten. Er musste nicht einmal mit dem Stab für die Scheibenwischer herumhantieren, denn noch fielen nur ein paar große, vereinzelte Regentropfen, und das Haus war jenseits des Tunnels der Auffahrt problemlos auszumachen.
Mit einer Erregung, die fast vergleichbar war mit der, die man bei einem Kauf empfinden würde, beobachtete er, wie das Licht der Scheinwerfer über Bäume, Gärten und Mauern streifte und in geheime, nächtliche Bereiche eindrang. Alles hoben sie hervor, und als er anhielt, verharrten sie auf der Veranda, die ihm Schutz bieten, und auf der Haustür, die ihn willkommen heißen würde.
Er schaltete Scheinwerfer und Motor ab, stieg aus, streifte die Autohandschuhe ab und bewegte seine steifen Finger. Dann warf er die Handschuhe ins Auto und näherte sich – auf die Minute pünktlich – dem Haus.
Auf der Veranda, außerhalb der Reichweite des Regens, der jetzt in Schwaden gegen die Fenster prasselte wie eine Handvoll Steinchen, betätigte John gebieterisch und anhaltend den Klingelzug.
Er musste lange warten, während von drinnen das aufgeregte Bellen der Spaniels zu hören war, bevor Mrs Trieves in ihrem ewig schwarzen Kleid ihm öffnete.
»Guten Abend, Sir«, lächelte sie – wenn nicht unbedingt herzlich, so doch immerhin in der Absicht, ihn willkommen zu heißen.
John Buchanan scheuchte die um ihn herumspringenden Hunde gutmütig beiseite, trat ein und sagte jovial: »Guten Abend, Mrs Trieves; dieses Mal werde ich erwartet.«
»Kommen Sie herein, Sir, lassen Sie mich Ihren Mantel nehmen. Kusch, Nell! Die Familie ist im Salon – wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
»Ich denke, ich weiß, wo der Salon ist, Mrs Trieves.«
»Natürlich, Sir. Dann entschuldigen Sie mich bitte.«
Er
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