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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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hineintrinken.
    In diesem Augenblick drang ein lautes Geräusch aus dem runden Hörer in ihrer Hand, und sie hielt ihn aufs Neue an ihr Ohr. »Hallo?«, sagte sie in die Sprechmuschel, die sie bisher an ihre Brust gedrückt hatte. »Hallo?« Sie tippte erneut auf die Gabel, allerdings ohne Erfolg. »Verflixt«, rief sie dann. «Ich glaube, wir sind getrennt worden. Und ich habe so lange gebraucht, um durchzukommen.«
    Der Besucher legte die Stirn in kunstvolle Falten.
    »Die Eisenbahn?«, fragte er, und als Emerald enttäuscht nickte, beugte er sich ein Stück näher zu ihr. »Es ist wirklich nicht leicht, sie zu fassen zu bekommen«, sagte er mit einem Zwinkern.
    Smudge war immer ein bisschen nervös, wenn sie abends über den Hof zu den Ställen gehen musste. Sie hasste die Dunkelheit nach dem hellen Schein der Fenster des Hauses, bevor der erste Lichtschimmer der Ställe sie erreichte.
    Sorgfältig gesicherte Lampen blieben in der Sattelkammer und unterhalb des Uhrenturms brennen, bis die abendlichen Stallarbeiten erledigt waren. Robert löschte sie, bevor er sich in seine Wohnung über der Sattelkammer zurückzog. Von da an herrschte pechschwarze Dunkelheit. (Smudge hatte einmal gesehen, wie zähflüssiges heißes Pech aus einem Eimer in die Ritzen hölzerner Futterkisten und Futtereimer gekippt wurde, und getreu seinem Ruf war Pech tatsächlich die absolut schwärzeste, dunkelste Substanz, die ihr je begegnet war: schwarz, heiß, mit einem durchdringenden, bitteren Geruch.)
    Ein kalter Wind schlug ihr die Röcke um die Beine, als sie den Hof betrat. Die Kopfsteine unter den dünnen Sohlen ihrer Stiefel fühlten sich unebener an denn je. So schnell sie konnte huschte sie über den Hof und gelangte – nachdem sie einmal gestolpert war und sich das Knie angeschlagen hatte – zur Tür des Stalls. Die Pferde waren natürlich längst für die Nacht hereingebracht worden.
    Die Luft im Stall war wärmer und erfüllt vom süßen Duft des Heus vom letzten Jahr, das nach Leben und sonnenbeschienenen Wiesen roch und, in Netze gefüllt, den Pferden als Futter diente. Sie hörte das rhythmische Mahlen ihrer Zähne, als sie sich daran gütlich taten, und dazwischen das lautere Knirschen verirrter Haferkörner oder das gelegentliche Klappern eines Hufeisens auf dem fischgrätgepflasterten Boden. Ihre Angst verflog, und sie griff vertrauensvoll über sich nach dem Haken, an dem die Halfter hingen. Sie störte sich nicht einmal daran, als eine dicke Spinne auf ihren Handrücken purzelte, sondern schüttelte sie einfach ab und ging an der Reihe der Boxen vorbei zur letzten und kleinsten, die Lady gehörte.
    Die Pferde beobachteten sie neugierig. Von oben, auf der anderen Seite des Hofs, über der Sattelkammer, hörte sie Robert lachen und dann Stanleys höhere Stimme, die in das Lachen einfiel.
    Sie blieb stocksteif stehen und spitzte die Ohren, registrierte all die anderen Geräusche draußen: das Rauschen des Windes in den Bäumen, das wie an den Strand schlagendes Wasser klang, den Todesschrei irgendeines kleinen Tiers.
    »Komm her, Lady«, sagte sie zu dem Pony, als sie in die Box glitt. Lady bewegte sich, reckte den Hals und schnupperte an Smudges Kleidern herum. »Braves Mädchen, du kommst jetzt mit mir«, sagte Smudge so leise wie möglich, während sie gleichzeitig versuchte, ihre Stimme ganz ruhig und selbstsicher klingen zu lassen.
    Sie führte Lady an den Boxen entlang. Levi hatte sich hingelegt. Sein schwarzer Schweif lag ausgebreitet auf dem Stroh. Nun hob er den Kopf von den angewinkelten Beinen, um sie zu beobachten. Ferryman dagegen machte den Hals lang, verdrehte die Augen und versuchte, ein Stück aus Ladys Rumpf herauszubeißen, aber Smudge schob seinen Kopf mit dem Ellbogen beiseite, wobei sie nur knapp den gelben Zähnen entging.
    »Zurück, du gemeines Biest!«, zischte sie.
    Im Inneren des Stalls hatten sich Ladys Hufe nicht besonders laut angehört, aber draußen auf dem offenen Hof machten sie einen schier entsetzlichen Lärm. Sie polterten geradezu auf den Kopfsteinen. (Smudge fragte sich, ob Mr Darwin je aufgefallen war, dass seine geliebte Evolution den Pferden ziemlich übel mitgespielt hatte, indem sie ihnen nicht erlaubte, außer Schritt, Trab und Galopp auch das Gehen auf Zehenspitzen zu erlernen. Dann hätten die ängstlichen, grasfressenden Tiere die Möglichkeit gehabt, sich an Raubtieren vorbeizuschleichen, statt ständig nur weglaufen zu müssen.) Smudge selbst ging auf Zehenspitzen, was

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