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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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Schritt ins Innere des Hauses.
    So also verteilten sich die Bewohner von Sterne zwischen sieben und acht Uhr abends auf das Haus (die Mehrheit der Tiere nicht mitgerechnet, die, sofern nicht anderweitig vermerkt, entweder schliefen oder den Menschen zwischen den Beinen herumliefen): Robert und Stanley waren bei ihrem Abendessen, bestehend aus Brot, Käse und Mixed Pickles; das Pony Lady und Smudge hatten gerade die hintere Halle betreten; die schwitzende Florence Trieves hackte in der Küche auf Myrtle herum; Emerald war in ihrem Zimmer und beruhigte ihre Nerven nach ihrer verwirrenden Begegnung mit dem neuen Gast in der Halle; Charlotte, die Puderquaste in der Hand, ging in ihrem Zimmer umher und betupfte verdrossen ihren blassen Hals, ohne sich des neuen Gastes bewusst zu sein (allerdings war ihr charakteristischerweise die Anwesenheit der ihr bereits bekannten Gäste ein Dorn im Auge, ebenso charakteristischerweise war ihr das erbarmungswürdige Scharren des Kätzchens Tenterhooks in seinem kleinen Gefängnis unter ihrem Bett absolut gleichgültig). Und die Überlebenden im Frühstückszimmer waren dabei, ihre feuchten Mäntel auszuziehen und begierig der Dinge zu harren, die da kommen sollten.
    Patience, perfekt frisiert und voller Vorfreude, hüpfte aus ihrem Zimmer zu dem ihres Bruders und klopfte.
    »Ernest?«
    »Müssen wir?« Er öffnete die Tür.
    »Ich denke schon. Bist du fertig? Nein, wie ich sehe, noch nicht. Ich kann ja verstehen, dass die Fliege dir Probleme bereitet, Ernest, aber ein Kamm? Jeder kann mit einem Kamm umgehen!«
    »Ich habe – nein, nicht …«
    Sie hatte seine Hand genommen und zog ihn vor den Spiegel des Frisiertischs, wo sie ihn auf den Stuhl drückte, seine Fliege neu band und ihm mit dem Kamm durch die dichten Haare fuhr, die sie anschließend mit etwas Pomade bändigte. Patience lebte in der ständigen Angst, andere könnten sich über Ernest lustig machen, obwohl das seit seiner Kindheit nie wieder geschehen war. Es gab nichts, was sie mehr fürchtete, als ihn gedemütigt zu sehen; es war für sie ein unerträglicher Schmerz. Einmal hatte sie einem Jungen, der drei Jahre älter war als sie, die Nase blutig geschlagen, weil er Ernest »Karottenkopf« und »Schielauge« gerufen hatte.
    Nachdem sie eine Weile mit Fliege und Kamm herumhantiert hatte, gab sie ihn frei, und sie verließen gemeinsam das Zimmer, überaus elegant und passend für die abendliche Feier ausstaffiert. Als sie Arm in Arm die Treppe hinuntergingen, verkündete Patience: »Es wird ein wundervoller Abend werden, nicht wahr, Ernest?«
    Die Stimme, die ihr antwortete, war jedoch nicht die ihres Bruders, sondern eine, die rauer und schärfer klang als seine. Sie gehörte dem Gentleman mit dem Schnurrbart, dem neuen Gast, dem Eindringling, der ihre Schritte auf den hölzernen Stufen gehört hatte, aus seinem Sessel in der Bibliothek aufgesprungen war und die Tür aufgerissen hatte, um zu rufen: »Ein überaus wundervoller Abend!«
    Bruder und Schwester blieben stehen und musterten ihn verwundert – den maulwurfschwarzen Serge seines Jacketts, die schneeweiße Hemdbrust, das Hemd selbst, das am Hals schockierenderweise offen stand, und die kirschrot aufblitzende Weste.
    Clovis kam in seinem Gefolge in die Halle geschlendert, lachend, umgeben von einer Wolke Zigarrenrauch.
    »Charlie Burbisham-Tr… – darf ich Ihnen Miss Patience Sutton und ihren Bruder Ernest vorstellen. Sie sind …«
    »Sehr erfreut«, sagte der Herr und blickte mit seinen sehr schwarzen Augen in ihre glockenblumenblauen. »Überaus erfreut.«
    »Ganz meinerseits«, kam es weltläufig von Patience, der es gelang, sich ihren Schock sowohl über das Aussehen dieses Neuankömmlings als auch über Clovis’ reichlich ungebührliches Verhalten nicht anmerken zu lassen – von den skandalösen Rauchwolken, die aus der Bibliothek drangen, ganz zu schweigen.
    Der gleichermaßen verblüffte wie beherrschte Ernest streckte dem anderen die Hand hin, und die weißen Handschuhe der beiden trafen sich zu einem festen Griff.
    Patience, winzig im Vergleich zu den Männern um sie herum, klappte anmutig ihren Fächer auf und wieder zu. Alle vier standen einen Augenblick beisammen, ohne zu ahnen, dass soeben ein Pony durch die Hintertür ins Haus gebracht worden war. Irgendwo schlug eine Uhr.
    »Hat es gerade acht geschlagen?«, erkundigte sich Patience. (Nein, hatte es nicht.) »Ist es wirklich schon so spät?«
    »Keine Ahnung«, sagte Clovis. »Sollen wir

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