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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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sein Gesicht ein Ausdruck, nur kurz zwar, aber, wie Ernest fand, überaus eindringlich. Ein Ausdruck, der an Grauen gemahnte. »Wir vertrauen darauf«, fuhr er fort, »dass Gott …« Das Wort hallte durch die kalte Luft und verharrte schwebend. »Dass Gott dafür sorgen wird, dass unsere Bedürfnisse befriedigt werden. Bis dahin müssen wir uns in Geduld üben. Lasst uns nun wieder hineingehen!« Damit deutete er erneut auf die offene Tür des Studierzimmers.
    Nach dieser Ansprache gaben die dicht gedrängten Passagiere jede Aufmüpfigkeit auf, anscheinend weil sie ihre Machtlosigkeit erkannt hatten. Ernüchtert trotteten sie zurück in den kleinen, quadratischen Raum.
    »Gut so«, sagte Traversham-Beechers und machte die Tür entschlossen hinter ihnen zu. »Sollen wir nun zu den Damen zurückgehen?«
    Als die Gäste wieder im Speisezimmer vereint waren, verkündete John: »Sie sind alle wieder da, wo sie hingehören.«
    »Bravo, John«, sagte Charlotte.
    Emerald ließ Smudges Hand los und wandte sich an die Versammelten.
    »Wir haben mit unserem Essen angefangen«, sagte sie mit fester Stimme. »Die anderen müssen auch etwas zu essen bekommen.«
    Sie fing Ernests ermutigenden Blick auf.
    »Hört, hört«, sagte er.
    »Das ist doch absurd!«, protestierte Charlotte.
    »Nein, Mutter! Sie auch weiterhin zu ignorieren ist absurd. Ich lasse das nicht mehr zu.«
    »Emerald!«
    »Siehst du denn nicht, dass es so nicht geht? Es werden immer mehr. Ein Teil von ihnen muss zurück ins Frühstückszimmer, die anderen bleiben im Studierzimmer. Und sie müssen etwas zu essen bekommen«, sagte sie bestimmt. »Du verhältst dich sehr unhöflich, Mutter.«
    Charlotte war das völlig egal. Sie hatte ihr Leben so eingerichtet, dass sie nie wieder dritter Klasse reisen musste. Sie würde auf keinen Fall mitleidig die Hände ringen wegen Leuten, die sie immer noch benutzten.
    »Bitte nicht ins Frühstückszimmer«, verlangte sie trotzig. »Das Frühstückszimmer ist mein spezielles Zimmer.«
    »Jedes Zimmer ist dein spezielles Zimmer, Mutter«, sagte Emerald bitter, brach an dieser Stelle aber ab, um es nicht in aller Öffentlichkeit zu einem Streit kommen zu lassen.
    »Was sollen wir tun?«, fragte Patience.
    Alle, mit Ausnahme des Kätzchens, das die Soßen aufleckte, und mit Ausnahme von Traversham-Beechers, der gähnend zur Decke blickte, wandten sich ihr erwartungsvoll zu.
    »Ich belästige euch nur sehr ungern mit unseren häuslichen Angelegenheiten, aber ich glaube, es bleibt mir nichts anderes übrig«, sagte Emerald mit Blick auf Florence Trieves. »Unser Mädchen, Pearl Meadows, ist krank. Robert und sein Junge sind unterwegs, um die anderen Passagiere einzusammeln, die die Eisenbahn uns schickt. Wir sind nur sehr wenige. Mrs Trieves ist mit Myrtle in der Küche ganz allein, und ich fürchte …« Der Rest des Satzes lag lange Sekunden auf ihrer Zunge, bevor sie ihn hervorbrachte. »Ich fürchte, wir werden in der Küche helfen müssen.«
    Sie achtete nicht auf das Stöhnen, das ihre Mutter angesichts dieser unglaublichen Zumutung ausstieß, aber Florence rief: »Nein, Emerald. Ich schaffe das auch allein.«
    »Nein, Mrs Trieves. Wir helfen Ihnen.«
    »Ich auf jeden Fall«, piepste Patience. »Ich brauche nur eine Schürze. Wo ist die Küche?«
    »Danke, Patience.«
    »Ich helfe auch«, brummte Ernest.
    »Nein«, kam es erneut, aber nur schwach, von Florence.
    »Ich auch, Em. Ich habe meiner Mutter oft geholfen«, sagte John.
    »Ich meiner zwar nie, aber ich bin auch dabei«, reihte Clovis sich ein.
    »Also gut«, rief Charlotte mit plötzlicher Vehemenz. »Dann hast du ja genug helfende Hände für deine schmutzige Arbeit. Und das an deinem Geburtstag! Es ist einfach lächerlich. Und ich sage dir, es wird einen Aufstand geben, wenn du versuchst, diesen grässlichen Leuten auch nur den kleinen Finger zu reichen. Smudge jedenfalls geht auf ihr Zimmer, oder willst du etwa die Kinderarbeit wieder einführen? Und ich ziehe mich ebenfalls zurück. Ich erwarte, nicht gestört zu werden.«
    Sie wandte sich dem Anführer der ungeladenen Gäste zu, dem unverschämten Traversham-Beechers.
    »Und Sie bleiben hier«, sagte sie betont und zeigte in diesem Augenblick alle Zähne und Klauen, die sie hatte. Das ganze Zimmer schien vor ihr zurückzuweichen.
    Der Gentleman war unbeeindruckt.
    »Ja, ich glaube, ich werde mich ein Weilchen hier vergnügen«, sagte er träge und zog eine lange Zigarre aus einer Innentasche.
    Charlotte drehte

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