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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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dass es dort zumindest ein wenig wärmer wird. John und Ernest, wären Sie vielleicht so nett …«, sie suchte nach dem passenden Ausdruck, »… unseren Gästen ihr neues Quartier zu zeigen?«
    Dann blickte sie in das schmutzige Gesicht ihrer jüngsten Tochter. »Smudge«, sagte sie, »ab ins Bett.«
    Wie Wurstbrät in eine zu kleine Pelle drängten sich die Passagiere, angeführt von John und Ernest, durch die mit grünem Stoff bespannte Tür. Die zahlreichen Körper verkeilten sich, sortierten sich und drängelten unruhig und ungeduldig in den Wirtschaftsflur.
    Der Geruch, der aus ihren Kleidern aufstieg, wurde nicht dadurch besser, dass sie nichts dafürkonnten. Das verblichene Material ihrer Gamaschen und Muffs war, wie auch ihre Haut und ihr Fleisch, nass geworden und wieder getrocknet. Zusammengenommen rochen sie wie die unerfreulichen Tiefen eines rostigen Mülleimers, der von den Müllmännern vergessen wurde, überzogen von den übel riechenden Ausdünstungen, die selbst ganz normaler Abfall, wenn man ihn lange genug herumstehen lässt, ausströmt. Kurz gesagt rochen sie nach Tod, die Ärmsten.
    Clovis hob den Kerzenstummel von den Steinplatten der Spülküche auf, auf die er ihn hatte fallen lassen, und er und Emerald traten erneut in das höhlenartige Innere des alten Hauses. In ihrer Nähe befanden sich mehrere gut gefüllte Regale – gefüllt mit allem, was in der kürzlich geplünderten Speisekammer keinen Platz mehr gefunden hatte –, aber weiter hinein ging nie jemand, jedenfalls schon seit vielen Jahren nicht mehr.
    Ihre Füße betraten die rissigen Steinplatten. Rings um sie herum wisperte die kalte Luft. War es der Wind draußen, der die Kälte so lebendig scheinen ließ? Die Luft strich, ungesehen, um ihre Köpfe herum.
    Clovis hielt die Kerze hoch und spähte in den gewaltigen Raum über ihnen. Die Flamme zeigte nichts als Leere.
    »Licht!«, rief er über die Schulter nach hinten. »Wir brauchen Licht!«
    Die Horden drängten weiter zur Küche. Im Vorbeigehen erhaschte John einen Blick in Florence Trieves’ gemütliches Büro in all seiner intimen Schäbigkeit. In diesem Moment schob sich ein hohlwangiger Mann, der bisher noch nichts gesagt hatte, nach vorn, fixierte ihn mit Blicken und fragte: »Sollen wir etwa hinter der Küche schlafen? Denken Sie so von uns?«
    Der Atem, der seinem Mund entströmte, roch frisch nach gärendem Apfel. John, der nicht wusste, was für die Reisenden vorgesehen war, konnte ihm keine befriedigende Antwort geben.
    »Sie haben die Eisenbahn nicht geholt!«, sagte eine körperlose Frauenstimme. Und eine andere: »Sie sollten sich schämen!«
    »Bitte, ganz ruhig und langsam«, rief John mit mannhafter Autorität und lenkte und scheuchte sie wie ein hartnäckiger Collie weiter.
    »Immer nur weiter«, rief Patience, die zusammen mit Charlotte den Schluss bildete, mit munterer Stimme.
    »Was ist denn da hinten?«, schrie ein winziger alter Mann und hob John sein zahnloses Gesicht entgegen.
    »Das werden Sie gleich sehen.«
    Der Mann hielt den Kopf auf bizarre Weise schief (eine Kindheitsverletzung? Oder jüngeren Datums?), und seine Augen unter struppigen grauen Augenbrauen zwinkerten krampfhaft.
    »Na los, machen Sie schon, junger Mann. Ich habe keine Angst vor Ihnen«, sagte er, während Spucke seine Lippen benetzte und eins seiner Augen sich weigerte, sich an das andere anzupassen. So versuchte er, John in Grund und Boden zu starren.
    Ernest lief vor in die Spülküche und machte sich daran, Öllampen von den obersten Regalen herunterzuholen.
    »Lassen Sie mich«, sagte Florence an seiner Seite. Beide standen in der kalten Zugluft aus dem alten Haus, die durch die offene Tür strömte.
    »Vielen Dank, Mrs Trieves«, sagte Ernest und kramte eilig nach Streichhölzern.
    Die Passagiere schoben sich blind durch die Küche, durch die Spülküche und weiter, vorbei an Ernest und Florence, ins alte Haus, in dem noch Dunkelheit herrschte.
    Sie wandten die Köpfe hin und her.
    »Es ist dunkel!«
    »Es ist kalt!«
    »Hier bleibe ich nicht, da können Sie sagen, was Sie wollen – hier bleibe ich nicht!« Diese und viele ähnliche Äußerungen des Zorns und der Enttäuschung wurden laut.
    Die armen, verzweifelten Horden. Es würde keine Federn für sie geben, keine Daunen, keine sauberen Laken. Sie sollten wie Tiere in einem Stall untergebracht werden.
    »Nein!«
    »Wenn Sie sich nur noch ein kleines Weilchen gedulden wollen«, versuchte Emerald sie im Dunkeln zu

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