Der ungezähmte Highlander
ein wenig verwundert fest, dass sich ihre gequälte Miene langsam entspannte.
»Aye«, erwiderte Keira, doch sie war so müde, das sie die Augen nicht mehr aufbekam. »Ich wünschte nur, dass sie mich vor dem Angriff auf Euch gewarnt hätte. Dann hätten wir ihn vielleicht verhindern können.«
»Ihr habt mich vor dem Tod bewahrt, das reicht. Habt Ihr denn oft solche Gesichte?« Als sie ihm eine Antwort schuldig blieb, musterte er sie eingehend und merkte, dass sie im Sitzen eingeschlafen war. »Ach, du armes Mädchen!«
Behutsam, um sie nicht zu wecken, richtete er sich auf, nahm Keira sanft bei den Schultern und legte sie aufs Bett. Sie fiel fast in seine Arme, ihr Körper war so schlaff, dass nur ihr gleichmäßiger Atem ihn beruhigte. Als er sich in die Kissen lehnte und sie an sich zog, murmelte sie etwas, das wie ein sehr höfliches Dankeschön klang. Doch das, was sie als Nächstes tat, hätte ihn fast laut aufstöhnen lassen: Sie schlang die Arme um ihn und schmiegte eine weiche Wange an seine Schulter. Fleischliche Lüste machten sich in ihm breit, vor allem in einem bestimmten, unvernünftigen, frechen Teil seines Körpers.
Keira Murray MacKail war weich und warm, und sie roch köstlich nach Lavendel und – er lächelte – schwach nach Honig. Nur mit größter Mühe konnte er an seinem Vorsatz festhalten, sich innerlich von ihr fernzuhalten. Er fragte sich, warum er ihn nicht einfach aufgab.
Der Gedanke gefiel ihm, genauso, wie die Frau in seinen Armen ihm gefiel – viel zu gut gefiel. Inzwischen war er davon überzeugt, dass Gott ihr eine Vision geschickt hatte, die es ihr und Bruder Matthew ermöglicht hatte, sein elendes Leben zu retten. Also konnte er ihr auch vertrauen. Aber das änderte nichts daran, dass es trotzdem ratsam war, Distanz zu wahren: Sie stand weit über ihm, dem Cousin eines unbedeutenden Lairds.
Er war eigentlich kaum etwas Besseres als ein gewöhnlicher Kriegsknecht. Die Gepflogenheit der Murrays, ihre Frauen den Ehemann selbst wählen zu lassen, galt bestimmt nicht für einen Mann wie ihn.
»Keira!«, rief Bruder Matthew und stürmte herein.
Liam brachte ihn mit einer schroffen Handbewegung zum Schweigen. Als Bruder Matthew ans Bett trat, bemerkte Liam, dass die Sorge in dessen Antlitz einem düsteren Verdacht wich, und seufzte. Es kränkte ihn ein wenig, dass sein alter Freund ihm zutraute, eine Frau zu verführen, die sich so fürsorglich um ihn kümmerte. Aber vermutlich hatten selbst die Mönche hinter ihren Klostermauern einige Geschichten über ihn vernommen.
»Sie ist im Sitzen eingeschlafen«, erklärte Liam, ohne dem finsteren Blick des Mönchs auszuweichen. »Und zwar, nachdem sie die Schmerzen in meinem Bein gelindert hat.«
»Hat denn das Auftragen von Salbe sie so erschöpft?«
Offenbar taten Keira und Matthew mit ihren heilenden Händen geheimnisvoller als mit ihren Visionen, dachte Liam. »Nay, Salbe war es nicht. Sie hat mir die Hände aufgelegt.« Liam dachte sich, dass es wohl ganz gut war, dass dieser Murray sich ins Kloster verkrochen hatte, denn Bruder Matthews Gesicht war wie ein aufgeschlagenes Buch. »Na, komm schon, alter Freund. Wir haben zwar in den letzten Jahren nicht viel miteinander zu tun gehabt, aber glaubst du wirklich, ich würde eine junge Frau wegen ihrer Gaben verurteilen und nicht wissen, dass man ein solches Geheimnis gut hüten muss?«
Bruder Matthew seufzte und rieb sich die Augen. »Nay, verurteilen würdest du sie wohl kaum.«
»Und ich würde auch niemals eine junge Frau aus einer vornehmen Familie verführen, eine frische Witwe und eine Dame, die zweifellos weit über mir steht.« Liam erstickte den Anflug schlechten Gewissens, obwohl es nicht ganz gelogen war. Er hatte an dieser galanten Haltung ihr gegenüber festhalten wollen, aber mittlerweile dachte er, dass das Schicksal gegen ihn arbeitete.
»Verzeih mir die Unterstellung.« Bruder Matthew schüttelte verlegen den Kopf.
»Schon gut. Ich muss gestehen, seitdem ich das Kloster verlassen habe, habe ich nicht wie ein Heiliger gelebt.« Liam tauschte ein kleines Grinsen mit seinem alten Freund. »Aber ich will ihr wirklich nichts Böses. Ich vergaß nur mein gebrochenes Bein, als ich sah, dass dieser Narr auf ihr lag. Aus Wut bin ich losgestürmt, als hätte ich zwei gesunde Beine.«
»Er wird hart bestraft werden, wenn auch vielleicht nicht so hart, wie mir lieb wäre. Hat er sie verletzt?«
»Nicht ernstlich. Sie hat wohl nur ein paar blaue Flecken abbekommen. Er
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