Der ungezähmte Highlander
es ein großes Festmahl geben, doch Keira hegte keine freudige Erwartung. Am nächsten Morgen würden sie nach Ardgleann aufbrechen. Auch wenn die Schwerter noch in den Scheiden steckten, hatte der Kampf doch schon begonnen. Sie schob die Schuldgefühle und Zweifel, die sie plagten, beiseite. Es war Rauf Moubrays Schuld, nicht ihre, und der Zorn auf diesen Mann ließ sie die Schultern straffen, als sie sich auf die Suche nach Fiona machte.
Sobald sie und Liam zu dem Heer stießen, das sie mittlerweile zusammengestellt hatten, würde ihnen nur noch wenig ungestörte Zeit beschieden sein. Deshalb hatte sie beschlossen, diese Nacht so zu verbringen, als wäre sie der Vorabend der Schlacht. Keira wollte sie unvergesslich machen, für ihn und für sich, auch wenn der Gedanke daran sie bis in die Fußspitzen erröten ließ. Da Fiona bereits seit mehreren Jahren verheiratet war, erhoffte sich Keira von ihr ein paar Ratschläge. Sie war sich nicht sicher, ob die Dinge, die sie in ihren Träumen tat, Männern tatsächlich gefielen, und ob die Männer das auch von ihren Ehefrauen haben wollten. Außerdem betrachtete sie das bevorstehende Gespräch mit Fiona als Probe: Wenn sie es nicht einmal schaffte, über ihre wollüstigen Gedanken zu reden, war die Chance, sie in die Tat umzusetzen, wohl nicht sehr groß.
Zu ihrer Freude traf sie Fiona allein in ihrer Kammer an, über eine Näharbeit gebeugt und leise schimpfend. »Läuft es nicht so, wie du willst?«, fragte sie und setzte sich neben Fiona auf die mit weichen Kissen ausgelegte Bank in der Fensternische.
»Ach, es läuft ganz gut«, erwiderte Fiona, legte ihre Arbeit zur Seite und lächelte Keira an. »Das Ergebnis gefällt mir immer, aber die Arbeit daran ist mir lästig.«
»Das Gefühl kenne ich sehr gut.«
»Na, was hast du auf dem Herzen? Raus mit der Sprache!«
Keira sah Fiona verwundert an. »Woher weißt du, dass ich etwas auf dem Herzen habe?«
»Ich sehe es dir an – du wirkst wild entschlossen in der Richtung: Das schaffe ich schon. Hast du Schwierigkeiten?«
»Nay, keine Schwierigkeiten.« Keira holte tief Luft, um ihren mangelnden Mut zu befeuern. »Da wir morgen früh nach Ardgleann aufbrechen und von da an ständig von Menschen umgeben sein werden, dachte ich, dass ich heute Nacht …«
»Dass du deinem Ehemann heute Nacht etwas geben möchtest, woran er sich erinnert? Das ihm unter die Haut geht?«
Keira lachte. »So in etwa. Weil du ja schon eine Weile verheiratet bist, dachte ich, dass du mich ein bisschen beraten könntest.«
Fiona nickte. »Du möchtest, dass ich dir meinen Erfahrungsschatz zur Verfügung stelle?«
»Genau. Also – ich habe oft Träume, in denen ich sehr freizügig bin, aber ich bin mir nicht sicher, ob ein Mann das seine Ehefrau auch gern tun lassen möchte.«
»Ich glaube nicht, dass irgendetwas, was du in deinen Träumen tust, Liam schockieren könnte.« Fiona stand auf und schenkte zwei Becher Apfelwein ein. »Wenn du dich in deinen Träumen gut dabei fühlst, werdet ihr zwei euch bestimmt auch im Wachen gut damit fühlen.« Fiona reichte Keira einen Becher und setzte sich wieder neben sie. »Reden wir darüber.« Sie zwinkerte Keira zu. »Das ist bestimmt wesentlich spannender als meine Stickerei.«
»Damit haben wir schon gerechnet«, meinte Sigimor und beobachtete Liam, der das Arbeitszimmer mit langen Schritten durchmaß.
»Ich weiß«, erwiderte Liam und warf die Botschaft, die sie von einem von Sigimors Männern erhalten hatten, auf den Tisch. »Aber ich hatte mir mehr erhofft.«
»Eine kleine Dummheit von Rauf, damit wir einfach leise hineinschleichen können?«, fragte Lucas und lümmelte sich auf einem der schweren Eichenstühle, die Ewan so schätzte.
»Aye, so etwas in der Art«, sagte Liam und starrte auf die Zeichnung, die Keira von Ardgleann und seiner Umgebung angefertigt hatte. »Für einen direkten Angriff gibt es keinerlei Deckung. Um den verfluchten Ort herum nichts als offenes Gelände, und da die Burg auf einem Hügel thront, werden uns die Männer auf den Mauern unweigerlich schon von Weitem sehen.«
»Deshalb will ich jetzt los«, sagte Sigimor. »In einigen Tagen haben wir Neumond.«
Liam nickte und beglückwünschte Sigimor insgeheim für seine sorgfältige Planung. Er mahnte sich zur Ruhe, um klarer denken zu können, und musterte die anderen, die sich mit ihm, Sigimor und Ewan versammelt hatten. Nanty, ein Bruder Fionas, saß auf einem Hocker vor dem Feuer und polierte gedankenverloren
Weitere Kostenlose Bücher