Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
gezogen. Sie kannte ihn nicht. Er hatte sich ihr im Treppenhaus vorgestellt, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, aber seither hatten sie sich nur zugenickt. Drei- oder viermal insgesamt. Er sah ziemlich gut aus, das hatte sie gleich registriert. Groß und blond und blauäugig. Und mit einem Lächeln, das sein Gesicht nur ungern zu verlassen schien.
Jetzt aber war er ernst.
»Ich habe einen Eintopf gekocht«, erklärte er. »So eine Art Boeuf Bourguignon, es ist gleich fertig, also, wenn du meinst?«
»Das kommt ein bisschen plötzlich«, sagte Moreno.
»Davon gehe ich aus«, sagte Bau. »Hrrm ... ich wollte dich auch gar nicht einladen, aber meine Freundin hat beim Kochen mit mir Schluss gemacht. Glaub jetzt bitte nicht ...«
Ihm fiel nicht ein, wie er diesen Satz beenden könnte. Und Moreno wusste es auch nicht.
»Danke, gern«, sagte sie. »Ich habe heute noch gar nichts gegessen. Wenn du mir eine Viertelstunde Zeit zum Duschen lässt? Eintöpfe kann man doch warm halten.«
Jetzt lächelte er.
»Gut«, sagte er. »Dann sehen wir uns in einer Viertelstunde.«
Er ging die Treppe hinunter, und Moreno schloss ihre Tür.
Läuft das so?, fragte sie sich, verdrängte diesen Gedanken aber sofort wieder.
Abgesehen von seinen rein äußerlichen Vorzügen erwies Mikael Bau sich auch noch als ausgesprochen hervorragender
Koch. Moreno langte heftig zu, und das dem Eintopf folgende Zitronensorbet war von genau der säuerlichen Leichtigkeit, die es in Rezepten immer, in Wirklichkeit aber nur selten hat.
Ein Mann, der kochen kann, dachte sie. So einer ist mir noch nie über den Weg gelaufen. Bestimmt hat er irgendeine Leiche im Keller. Sie hätte ihn gern gefragt, warum seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hatte, aber für eine so private Frage bot sich keine Gelegenheit, und er selber schnitt das Thema nicht an.
Sie sprachen über Wetter, Haus und Nachbarn. Und über ihre Berufe. Bau arbeitete im Sozialamt, weshalb es durchaus Berührungspunkte gab.
»Weiß der Teufel, warum wir uns für die Schattenseiten entscheiden«, sagte er. »Ich will ja nicht behaupten, dass ich mich unwohl dabei fühle, aber ich glaube nicht, dass ich mich heute noch einmal so entscheiden würde. Warum bist du zur Polizei gegangen?«
Ewa Moreno hatte sich diese Frage schon so oft gestellt, dass sie nicht mehr wusste, ob es eine Antwort gab. Es hatte sich einfach so ergeben, und sie hatte den Verdacht, dass das für viele Menschen galt. Das Leben ergab sich eben so.
»Ich glaube, ziemlich viel wird vom Zufall gelenkt«, sagte sie. »Oder zumindest nicht von wohl überlegten Entscheidungen. Wir haben weniger Kontrolle, als wir uns einbilden ... dass wir das nicht zugeben, steht auf einem anderen Blatt.«
Bau nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Aber vielleicht landen wir ja trotzdem immer an der richtigen Stelle«, sagte er. »Ich habe neulich über diese Billardkugeltheorie gelesen, kennst du die? Du rollst zwischen vielen anderen Kugeln über eine glatte grüne Matte. Geschwindigkeit und Richtung sind vorgegeben, aber du kannst doch im Voraus nicht berechnen, was passieren wird ... wenn wir zusammenstoßen und die Richtung ändern. Alles ist gegeben, aber wir können es nicht vorhersagen, es gibt zu viele Faktoren,
die Einfluss ausüben, ganz einfach ... ja, so ungefähr war das.«
Sie musste an etwas denken, das der Kommissar oft erwähnt hatte, und sie konnte ihr Lachen nicht unterdrücken.
»Gewisse Muster«, sagte sie. »Angeblich gibt es Muster, die wir nicht bemerken ... jedenfalls nicht rechtzeitig. Später sehen wir sie dann ganz deutlich. Das erinnert ein bisschen an eine polizeiliche Ermittlung. Alles wird deutlicher, wenn wir rückwärts sehen können.«
Wieder nickte Bau.
»Aber wir dürfen nicht rückwärts sehen«, sagte er. »Im Leben, meine ich. Das ist das Problem. Noch einen Schluck Wein?«
»Ein halbes Glas«, sagte Moreno.
Als sie zum ersten Mal auf die Uhr schaute, war es Viertel vor zwölf.
»Herrgott«, sagte sie. »Musst du morgen nicht arbeiten?«
»Aber sicher«, sagte Bau. »Wir auf der Schattenseite ruhen nie.«
»Danke für den schönen Abend«, sagte Moreno und stand auf. »Ich verspreche eine Gegeneinladung, aber zuerst muss ich Rezepte büffeln.«
Bau brachte sie zur Tür und umarmte sie zum Abschied freundlich, aber nicht übertrieben. Eine Viertelstunde später lag sie in ihrem Bett und dachte daran, wie schön gute Nachbarschaft doch ist.
Danach dachte sie
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