Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Durchwühlten alle Schubladen, Schränke und Ecken, ohne wirklich zu wissen, wonach sie suchten. Reinhart fand einen Schlüssel mit einem Anhänger, auf dem »Bodenraum« stand und verbrachte eine Stunde zwischen alten Kleidern, Schuhen und Stiefeln, Tennisschlägern, allerlei Möbeln und einer Reihe Kartons, die eine Zeitschrift aus den sechziger Jahren enthielten. Moreno konnte nicht so recht verstehen, warum sie die Wohnung so gründlich untersuchten, machte aber gute Miene zum bösen Spiel. Sie hatte keine Ahnung, was dabei herauskommen sollte, wusste jedoch, dass sie vermutlich denselben Entschluss gefasst hätte ... falls sie hier zu entscheiden gehabt hätte.
»Man weiß erst, was man sucht, wenn man es gefunden hat«, hatte Reinhart erklärt und sie mit Rauch angeblasen. »Das gilt in vielen Fällen, Frau Polizeiinspektorin, nicht nur hier und jetzt.«
»Der Kommissar ist klug wie ein Pudel«, hatte Moreno geantwortet. »Und ich rede von einer Hündin.«
Um Viertel vor drei kam die Belohnung. Moreno hatte den halb vollen Papierkorb (der unter dem Schreibtisch stand — nur Papier, natürlich, nichts Verrottendes wie Apfelbutzen, Teebeutel oder Bananenschalen) auf dem Wohnzimmerboden ausgeleert und sich achtlos an den Inhalt gemacht, als sie es entdeckte. Es .
Ein zerknülltes liniertes Blatt Papier im DIN-A4-Format, aus einem Schreibblock gerissen. Vermutlich aus dem, der rechts über dem Schreibtisch im Regal lag. Sie faltete das Blatt auseinander, strich es glatt und las.
Fünf Wochen seit dem Mord an dem Ju
Das war alles. Nur sieben Wörter. Siebeneinhalb. Geschrieben mit eleganter, ein wenig geschlechtsloser Handschrift, in blauer Tinte.
Sie starrte die kurze, abgebrochene Mitteilung an und dachte zwei Minuten lang nach.
Ju, dachte sie. Was bedeutet Ju?
Konnte es denn etwas anderes als »Junge« bedeuten?
Sie rief Reinhart, der vom Dachboden zurückgekehrt war und fluchend den Kopf in einen Kleiderschrank im Schlafzimmer steckte.
»Na«, fragte Reinhart. »Was hast du?«
»Das hier«, sagte Moreno und reichte ihm das Blatt.
Er las und blickte sie verdutzt an.
»Den Ju?«, fragte er. »Was zum Teufel ist das für ein Ju? Ein Junge?«
»Wahrscheinlich«, sagte Moreno. »Du hast gesagt, dass uns das erste Glied fehlt. Ich glaube, das haben wir jetzt.«
Reinhart schaute das zerknitterte Papier an und kratzte sich am Kopf.
»Da hast du Recht«, sagte er. »Da hast du verdammt Recht. Komm jetzt, Zeit für eine kleine Beratung.«
Die Besprechung verlief diesmal kurz und ohne Wein und Schnittchen. Extravaganzen waren nicht mehr nötig ... da der Nebel sich endlich lichtete, erklärte Reinhart.
Der Nebel in den Fällen Erich Van Veeteren und Vera Miller. Es war Zeit, klar zu sehen und zu handeln. Zeitraubende Spekulationen waren nicht mehr nötig. Keine Theorien und Hypothesen, plötzlich wusste man, was Sache war und was man suchte. Zeit um ... um die Schlinge um die in diese Sache Verwickelten zusammenzuziehen.
Um Pieter Clausen und Aron Keller. Den Mörder und seinen Erpresser.
Das einzige kleine Problem war, dass die Schlinge nach dem Zuziehen wohl leer sein würde. Erklärte Rooth, während er das Papier von einer Mozartkugel abpulte.
»Ja, das ist eine verdammte Geschichte«, gab Reinhart zu. »Wir haben die Sache noch längst nicht im Sack, darüber sollten wir uns im Klaren sein, aber unsere Annahmen waren gar nicht so dumm. Keller hatte Clausen aus irgendeinem Grund im Griff und wollte sich für sein Schweigen bezahlen lassen. Er hatte den jungen Van Veeteren das Geld holen geschickt. . . mit den bekannten Folgen. Was Vera Miller damit zu tun hatte, weiß der Teufel, aber in Clausens Wohnung haben wir Haare von ihr und alles Mögliche andere gefunden — und Blut, im Schlafzimmer und im Wagen. Das ist also sonnenklar. Er hat sie auf dieselbe Weise umgebracht wie Erich Van Veeteren.«
»Aber welchen Zusammenhang gibt es zwischen Keller und Erich?«, erkundigte sich deBries. »Es muss doch einen geben.«
»Den kennen wir noch nicht«, sagte Reinhart. »Den müssen wir noch finden. Und das ist wie gesagt nicht das Einzige, was wir noch finden müssen. Clausen und Keller sind beide verschwunden. Keiner von ihnen scheint seit dem letzten Donnerstag gesichtet worden zu sein ... dem Donnerstag, an dem Clausen zweihundertzwanzigtausend von der Bank abgehoben hat. Etwas muss passiert sein, später an diesem Abend vielleicht,
und wir müssen herausfinden, was ... und wir müssen
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