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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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nicht. Im Gehen ließ ich meinen Blick noch einmal ausgiebig durch das Wohnzimmer schweifen. Ich hatte das Gefühl, dass ich es so schnell nicht wiedersehen würde.
    Als sich die Tür hinter uns geschlossen hatte, sackten Chris’ Schultern zusammen. » Tut mir echt leid, dass ich dich da reingezogen hab. Er ist nicht er selbst. Ich glaube, er ist deprimiert, weil sie ihn aus seiner Show rausgeschmissen haben. «
    » Keiner ist gerne arbeitslos « , sagte ich und versuchte, verständnisvoll zu klingen. Es ist gar nicht leicht, sich zu konzentrieren, wenn man sich so fühlt, als hätte man Pudding in den Beinen. » Und du hast mich ja nicht gerade an den Haaren hier hochgeschleift. Ich bin ja freiwillig mitgekommen. «
    » Aber das hast du bloß gemacht, weil Brody dich sonst nie in Ruhe gelassen hätte. «
    » Was nichts mit dir zu tun hat, also brauchst du dich auch nicht zu entschuldigen. «
    » Na gut. Aber ich fühle mich trotzdem schuldig. «
    Chris sah mich aus großen, traurigen Welpenaugen an, aber mir war das Mitgefühl komplett ausgegangen oder zumindest die Energie, es zum Ausdruck zu bringen.
    » Und du sagst, er ist nicht immer so? «
    » Also, sagen wir mal so: Er ist nicht besonders gut drauf, wenn er trinkt. «
    » Ich hab noch nie so wirksame zweieinhalb Gläser Gin Tonic gesehen. Viel scheint er ja nicht zu vertragen. «
    » Normalerweise trinkt er nicht viel. Alkohol schadet seinem Gewicht und seiner Haut, hat er mir mal gesagt. Aber wenn er sich doch mal betrinkt, dann richtig. « Chris schüttelte missbilligend den Kopf. » Aber egal, vergiss ihn einfach. Wie geht’s dir? «
    Ich war sehr stark davon in Anspruch genommen, die Stufen zu bewältigen, und hielt mich am Treppengeländer fest. » Einfach nur müde, glaube ich. «
    » Sicher? Du siehst ganz schön blass aus. «
    » Wie willst du das denn bei dem Licht sehen? « Das Treppenhaus war düster. Ich konnte kaum sein Gesicht erkennen, obwohl es meinem sehr nahe kam, als ich mich umdrehte. » Alles in Ordnung. Ich hab mich im Krankenhaus durchchecken lassen. Keine Gehirnerschütterung, das haben sie mir versichert. «
    Aber trotzdem fühlte ich mich benommen. Leicht beklommen überlegte ich, ob sie nicht vielleicht etwas übersehen hatten und mich doch nicht hätten nach Hause schicken sollen. Oder ich bekam gerade eine Grippe. Chris starrte mich immer noch an.
    » Alles okay, glaub mir. «
    » Du läufst, als wärst du verletzt. Die Beule am Kopf ist nicht alles, stimmt’s? «
    » Ist nichts Ernstes. «
    » Ich hab Schmerztabletten da, wenn du möchtest. Ibuprofen auf jeden Fall und Codein auch irgendwo. Ich könnte noch mal schnell rüberkommen. «
    Bitte keine Leute mehr. Ich rang mir ein Lächeln ab. » Danke, Chris. Ist echt nicht nötig. «
    » Wär aber kein Problem. «
    Wir erreichten die letzte Treppe, und Händels großes » Halleluja « erschallte in meinem Kopf, als ich meine Wohnungstür erblickte– die Verheißung von Frieden und Ungestörtheit. » Ich möchte einfach nur schlafen. «
    Chris wollte gerade etwas erwidern, da bewegte sich ein Schatten hinter den Buntglasscheiben der Haustür. Eine Sekunde später klingelte es.
    » Ich mach auf. « Chris schob sich an mir vorbei, rannte die letzten Stufen hinunter und frickelte an der Tür herum, als würde allein das Bewusstsein, dass ich ihn beobachtete, dazu führen, dass er sich nicht anders als ungeschickt anstellen konnte. Er öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte misstrauisch hinaus. Seine gesamte Körpersprache sagte, dass er die Tür am liebsten sofort wieder zugeknallt hätte, sich aber nicht traute. Er beschränkte sich darauf, in schon beinahe pampigem Ton zu fragen: » Was wollen Sie? «
    Neugierig beugte ich mich zur Seite, weil ich sehen wollte, wer da vor der Tür stand, und als ich ihn erkannte, sprang mein Herz vor Freude.
    » Rob. « Meine Stimme bebte, als ich seinen Namen sagte. Er schob sich an Chris vorbei, als wäre dieser gar nicht da, und kam auf mich zu.
    » Alles in Ordnung? «
    Ich nickte und suchte die letzten Schnipsel meiner Selbstbeherrschung zusammen, wobei ich mich fragte, warum mir so sehr zum Heulen zumute war. » Na ja, geht schon. «
    Er war eine Stufe unter mir stehen geblieben. » Sieht aber nicht gerade nach Geht-schon aus. Hast du es gekühlt? «
    » Das frage ich doch sonst immer. «
    » Es ist schon spät. « Ich hatte ganz vergessen, dass Chris noch da war, doch er stand wie angewurzelt neben der Tür und beobachtete uns. »

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