Der Ungnädige
geschlossen war. Als ich das sah, schwante mir schon, dass er vielleicht nicht mehr lebt. Aber ich dachte, dass er im Schlaf gestorben ist. « Das schilderte sie ganz nüchtern und sachlich. » Ich war schon dabei, für seine Seele zu beten, als ich die Tür aufmachte und ihn fand. «
» Das muss furchtbar schlimm für Sie gewesen sein, Mrs. Driscoll. Und in der Wohnung ist Ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen? Nichts, was Sie beunruhigt hat? «
Sie schüttelte den Kopf, aber ich bemerkte ein winziges Zögern.
» In der Küche… « , begann ich.
» Ach so, das ist Ihnen also auch aufgefallen. Der Wasserkessel. « Sie nickte, und ihre matten Augen glänzten. » Ich habe mich darüber gewundert, denn er hat sich morgens immer eine Tasse gemacht, vor der Messe. Mehr nicht. Kein Frühstück oder so. Erst danach, und selbst dann aß er nur ein Scheibchen Brot. Aber Tee hat er immer getrunken, bevor er aus dem Haus gegangen ist, ungefähr halb sieben. Wenn ich dann morgens kam, habe ich seine Tasse gleich mit abgewaschen. «
» Sind Sie jeden Tag zur gleichen Zeit gekommen? «
» Nach der Messe, manchmal früher, manchmal später. Ab und zu war es sogar erst halb elf. Heute zum Beispiel. Das hat sich zufällig so ergeben, weil ich durch den Anruf einer alten Freundin aufgehalten wurde. Ausgerechnet heute! Aber andererseits läge ich jetzt vielleicht tot am Boden, wenn ich die Täter überrascht hätte, und Sie könnten mich nur noch begucken, statt hier mit mir zu reden. «
Obwohl sie vermutlich Recht hatte, hielt ich mich mit meiner Zustimmung zurück. » Denken Sie lieber nicht darüber nach, was alles hätte sein können, Mrs. Driscoll. Ich bin froh, dass es nicht so gekommen ist. « Ich zögerte, ehe ich ihr die Frage stellte, die mich voraussichtlich für den Rest des Tages in ihrer Sauna von einem Wohnzimmer festhalten würde. » Gibt es noch etwas, das wir Ihrer Meinung nach über Pater Fintan oder den heutigen Tag wissen sollten? Etwas, wonach wir Sie noch nicht gefragt haben oder was Sie beunruhigt? Ist Ihnen noch etwas aufgefallen? «
» Also, eins war da noch. Wahrscheinlich ist es nicht weiter wichtig, aber als ich heute Morgen die Milch geholt habe– es war um zwanzig vor sieben, das weiß ich so genau, weil ich in der Küche den Fernseher laufen hatte–, da hab ich ein Auto von der Royal Mail draußen stehen sehen. Ein Postbote ging zu seiner Tür und hatte ein Paket in braunem Packpapier dabei. Ziemlich groß. Rechteckig, ungefähr so groß. « Sie zeigte eine Größe von etwa 50 mal 30 Zentimeter an.
» Sind Sie sicher, dass er an Pater Fintans Tür geklingelt hat? «
Sie nickte. » Deshalb hab ich doch so genau hingesehen. Ich wollte ihn später fragen, was drin war. «
» Aber ich habe in der Wohnung kein Paket gesehen « , sagte ich grübelnd und ging in Gedanken noch einmal die bescheiden möblierten Räume durch.
» Ich eben auch nicht. « Sie blinzelte heftig. » Ich hab mich extra noch mal umgeschaut, als ich auf die Polizei gewartet habe. Nicht dass noch was hinter einer Tür versteckt war, wissen Sie? Ich konnte ja nichts mehr für Pater Fintan tun, also habe ich ein paar Gebete für ihn gesprochen, während ich nachgeschaut habe. Aber von einem Paket keine Spur. «
» Und von der Verpackung auch nicht. «
» Nichts. « Triumphierend lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück. » Kein einziges Stück Packpapier oder dergleichen. «
» Und Sie sind sich ganz sicher, dass es seine Wohnung war? «
» Absolut. Ich habe doch die offene Tür gesehen « , sagte sie bestimmt– eine ideale Zeugin.
» Können Sie mit Sicherheit sagen, dass es ein offizielles Postauto von der Royal Mail war? Konnten Sie den Schriftzug an der Seite erkennen? «
» Zumindest war es rot. « Ich merkte sofort, dass an dieser Stelle das Eis schon dünner wurde. Sie klang unsicher. » Es hatte auch die übliche Größe. Ehrlich gesagt hab ich es mir nicht so genau angesehen. Ich könnte Ihnen jetzt zum Beispiel nicht sagen, was es für eine Automarke war. Ich habe nur jemanden aussteigen sehen und mir die Farbe gemerkt. Der Mann hatte auch die normale Uniform an, also bin ich davon ausgegangen, dass es auch ein richtiges Postauto war. Ich habe mir ja nichts weiter dabei gedacht. «
» Das Nummernschild haben Sie nicht zufällig gesehen. « Das war nicht als Frage formuliert.
Sie schüttelte den Kopf. » Nein. Tut mir leid. «
» Machen Sie sich keine Gedanken. Das hilft uns schon weiter. Immerhin haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher