Der Unheimliche
Zimmerschlüssel.
»War mein Irrtum, Lieutenant«,
erklärte er betreten. »Die ganze Sache tut mir außerordentlich leid.«
Jo betrachtete die Sachen, die
er aufs Bettende geworfen hatte. Bewundernd sah sie die 38er im Halfter an;
dann griff sie nach meinem Abzeichen und musterte es etwa fünfzehn Sekunden
lang. Schließlich langte sie nach meinem Ausweis und las ihn so aufmerksam, als
handelte es sich um eine nicht gereinigte Ausgabe von Tausendundeine Nacht. Dann saß sie
da und starrte mich an.
Ich stand auf, zog meine Jacke
aus, legte mir die Halfter um und schlüpfte wieder in die Jacke. »Ich fahre mit
Ihnen wieder zu Kaufman zurück«, sagte ich zu Porky .
»Schon gut«, nickte er. »Wie
Sie wollen, Lieutenant.«
»Lieutenant!« stieß Jo hervor.
»Das ist doch wohl das Tollste, was mir jemals in meinem ganzen Leben passiert
ist! Ein echter Polizeileutnant! Und hier auf meinem Bett! Welchen Auftrag Sie
auch haben, er muß doch ziemlich wichtig sein, wenn man einen Lieutenant damit
beauftragt!« Sie sprang auf. »Ich komme mit Ihnen!«
Ich blickte anzüglich durch ihr Négligé hindurch. »In dem Ding?«
»Oh!« Sie sah an sich herab.
»Ich verstehe, was Sie meinen. Ich sollte wohl etwas darunter tragen?« Sie sah
mich an. »Na ja, vielleicht auch nicht. Es könnte ja kühl draußen sein. Ich
ziehe mich um. Dauert keine Minute.«
»Sie bleiben hier!« befahl ich.
»Und überdies...«
»Ich komme mit Ihnen«, erwiderte
sie bestimmt. »Versuchen Sie nicht, sich mit mir zu streiten, damit verlieren
Sie nur Ihre Zeit.«
Sie drängte uns aus dem
Schlafzimmer hinaus und schloß die Tür. »Fahren wir«, flüsterte ich Porky zu, »bevor diese flotte Biene wiederkommt. Ich folge
Ihnen in meinem Wagen.«
»Ganz wie Sie wollen, Lieutenant.«
Einige Minuten später parkte
ich den Healy hinter dem Cadillac auf der Anfahrt zu Kaufmans Haus. Die Wagen,
die zu Anfang des Abends dort geparkt hatten, waren verschwunden. Ich konnte
mir vorstellen, daß das Fest ein jähes Ende genommen hatte.
Wir betraten das Haus und
gingen in die Bibliothek, wo Eli auf uns wartete.
»Ich habe mich bei Ihnen zu
entschuldigen, Lieutenant«, sagte er ungezwungen. »Hätte ich geahnt...«
»Schon gut«, erwiderte ich.
»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Ich bin nur froh, daß Porky daran gedacht hat, Sie vom Hotel aus anzurufen und
Ihnen mitzuteilen, daß ich zur Polizei gehöre.«
Sie sahen erst einander und
dann mich an, und auf ihren Gesichtern erschien ein gekünsteltes Lächeln.
»Ich suche Schlange Lannigan «, erklärte ich. »Ich möchte ihn finden. Ich wußte,
daß einige seiner Mädchen heute abend bei Ihnen sein
würden, und ich hätte gern von Ihnen erfahren, wieviel Sie über ihn wissen. Ich habe es nicht sehr geschickt angestellt. War mein
Fehler. Was mich angeht, so können wir vergessen, was bisher geschehen ist. Ich
will nicht einmal nach Porkys Waffenschein für die
Pistole fragen , die er vorhin bei sich trug.«
»Wir danken Ihnen für Ihre
Zuvorkommenheit, Lieutenant«, antwortete Kaufman. »Können wir uns irgendwie
erkenntlich zeigen?«
»Sie können mir von Schlange Lannigan erzählen«, erwiderte ich. »Wer ist er, und wo kann
ich ihn finden?«
Es folgte ein kurzes Schweigen,
das schnell bedrückend wurde.
»Es tut mir leid, Lieutenant«, erklärte
Kaufman schließlich. »Ich würde Ihnen da gern helfen, aber das ist unmöglich.«
»Zerstören wir doch nicht die
freundschaftliche Atmosphäre«, sagte ich. »Ich möchte nicht daran erinnern
müssen, daß Sie zum Beispiel für heute abend Call-Girls bestellt hatten. Oder daß Porky mich mit
einer Pistole bedroht hat. Das allein berechtigt zu ein paar Jahren in St.
Quentin!«
Kaufman zündete sich eine
Zigarette an. »Sie mißverstehen mich, Lieutenant«, erklärte
er. »Es handelt sich nicht darum, daß ich Ihnen nicht helfen möchte. Ich kann
es ganz einfach nicht. Ich weiß nicht, wer Schlange Lannigan ist oder wo Sie ihn finden könnten. Ich bin dem Herrn in meinem ganzen Leben
noch nicht begegnet.«
»Als ich Ihnen sagte, ich hätte
eine Nachricht von Schlange für Sie, benahmen Sie sich nicht so, als hätten Sie
ihn in Ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen«, erinnerte ich ihn. »Sie haben
mich im Gegenteil gleich in diesen Raum geführt. Erinnern Sie sich?«
Er zuckte die Schultern.
»Natürlich entsinne ich mich, Lieutenant. Der Name war mir selbstverständlich
geläufig, aber dem Mann selber bin ich niemals begegnet — wenn es ihn
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