Der Unsichtbare Feind
»Ich habe die Protokolle von ihren und Steeles Aussagen von Freitagnacht noch einmal durchgelesen. Ich weiß, dass Sie beide behaupten, keine Ahnung zu haben, wer dafür verantwortlich ist, aber der Zeitpunkt des Angriffs legt sicherlich die Vermutung nahe, dass jemand wusste, was Sie für Montag geplant hatten. Mal inoffiziell gefragt: Gibt es hier irgendjemanden mit Zugang zu dieser Information, den Sie im Verdacht haben?«
»Nein«, antwortete sie eine Winzigkeit zu langsam und dachte an Azrhan, obwohl sie weder das eine noch das andere wollte. »Eine Menge Leute könnten das wissen«, fügte sie hinzu, »einschließlich einiger in Julie Carrs Labor.«
Er musterte sie, und sein eindringlicher Blick machte sie nervös. »Da ist noch etwas«, sagte er. »Agrenomics hat gemeldet, dass jemand in ihre Gebäude eingedrungen ist, ebenfalls freitagnachts. Es ist auf meinem Schreibtisch gelandet, weil die örtliche Polizei wusste, dass ich mich für den Betrieb interessiere. Sie können mir nicht zufällig etwas dazu sagen, oder doch?«
»Nein, überhaupt nicht. Warum sollte –«
»Gut, weil ich nicht gerne einige sehr prominente Bürger wegen Einbruchs verhaften möchte.«
»Aber Sie können unmöglich denken, dass ich –«
»Wir kommen nur dann legal bei Agrenomics hinein, wenn Racine sie mit dem Impfstoff in Verbindung bringt. Ist das klar?«
»Natürlich, aber sicherlich –«
»Gut! Weil das Letzte, was wir gebrauchen können, ein paar Einzelkämpfer sind, die da illegal reingehen und irgendeinem Staranwalt den Vorwand liefern, alles, was da vielleicht drin ist, für unzulässige Beweismittel zu erklären. Kapiert?«
Aber sie haben da ein Geheimlabor, und Gott weiß, wofür!, wäre sie fast herausgeplatzt. Stattdessen hielt sie den Mund. Sie war es nicht gewöhnt, sich taktisch zurückzuziehen und zu schweigen, und so wuchs ihre Frustration, und ihr Gesicht glühte.
Im Verlauf der nächsten Stunden kehrten die Mitglieder ihres Teams, einschließlich Azrhan, zu ihrer üblichen Routine zurück, nachdem ihre Arbeit an den Proben aus Rodez offiziell beendet war.
Aber Kathleen hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, dachte sie wieder, dass es Neuigkeiten aus Frankreich geben könnte. Sie konnte auch nicht vergessen, dass Pierre Gaston angedeutet hatte, dass es da noch ein zweites Geheimnis gab, das bei Agriterre zu finden war. Nach dem Mittagessen holte sie noch einmal die Präparate heraus und untersuchte sie bis zum Spätnachmittag. Von dem Gefühl getrieben, dass sie irgendetwas übersehen hatte, schaffte sie es nur, einen Teil der Proben durchzusehen – und fand am Ende nichts Neues.
Als es bald sechs Uhr war, versetzte sie die Aussicht, wieder ein normales Familienleben mit Lisa zu führen und regelmäßigen Schlaf zu bekommen, sofort in wesentlich bessere Stimmung. Die Möglichkeit, sich mit Richard für ein wenig gemeinsame Freizeit zu treffen, fand sie noch aufregender. »Warum kommst du nicht später noch bei mir vorbei?«, fragte sie ihn, als sie ihn anrief, bevor sie das Labor verließ. Sie hatte angenommen, dass seine Ungeduld, mit ihr zusammen zu sein, genauso stark war wie ihre. Allein der Gedanke daran, wo sie aufgehört hatten, ließ ihre Brustwarzen prickeln und machte sie wieder warm und feucht für ihn. »Ich mache eine Flasche Champagner auf, um zu feiern, dass ich aus diesem Gefängnis herauskomme.«
Er machte eine kleine Pause, bevor er antwortete, nur ein paar Sekunden, jedoch lange genug, um ihr zu sagen, dass er unschlüssig war.
»Es tut mir Leid, Kathleen, aber Chet spielt heute Abend in einem Schulkonzert, und ich habe ihm versprochen, dass ich komme.«
»Da musst du natürlich hingehen«, pflichtete Kathleen ihm bei und hoffte, dass sein Zögern nur damit zu tun hatte. »Wenn du willst, warte ich auf dich.«
»Und was ist mit Lisa?«
»Die würde auch der dritte Weltkrieg nicht aufwecken. Also, soll ich die Edelbrause aufmachen?«
Wieder Schweigen.
»Oder wir könnten beide für ein paar Stunden in ein Hotel gehen und etwas beim Zimmerservice bestellen«, schlug sie nur halb im Scherz vor.
Sein Lachen klang gezwungen.
Ihr kam der Verdacht, dass hinter seiner Zurückhaltung mehr steckte als sein Widerstreben, mit ihr ins Bett zu gehen, während Lisa im Nebenzimmer schlief. »Richard, was ist los? Du bringst mich noch dazu zu glauben, dass ich nur für dich attraktiv bin, wenn überall Cops, Feuerwehrmänner und hundert
Weitere Kostenlose Bücher