Der Unsichtbare Feind
Antwort.
Gott, wie schwer war er verletzt? Ihre Furcht wurde riesig, und sie wand sich so lange, bis sie nahe genug bei ihm war, um ihren Kopf auf seine Brust zu legen. Sie war erleichtert, dass er wenigstens noch atmete. Durch ihre Bewegung hatte sich ein Teil der Kette, die sie mit einem Vorhängeschloss eng um ihre Taille herum befestigt hatten, gelockert und rasselte auf dem Boden. Sie setzte sich mit Mühe auf, folgte der Kette mit den Augen und sah, dass sie an einem der großen Container befestigt war. Steele schien genauso gesichert zu sein. »Mutter Gottes«, murmelte sie und ließ sich zurückfallen. Ihre Haut war schweißnass, und ihr Herz schlug so heftig, dass sie dachte, dass es sich an ihren Rippen verletzen würde.
Es gab keine Chance, zu entkommen, bis Lisa die Polizei anrief. Aber das wäre erst nach elf Uhr abends, lange nachdem die Feierlichkeiten vorbei waren. Was immer diese Mistkerle geplant hatten, sie würden bestimmt die Menschenmengen nutzen, die sich das Feuerwerk ansahen, und die Vektoren dort freisetzen, wo sie den größten Schaden anrichten konnten.
Eine Uhr an der Wand zeigte 19.10 Uhr. Sie erschauerte, als sie sich die hunderttausende von Besuchern vorstellte, die sich jetzt sicher schon auf der ganzen Länge des Franklin D. Roosevelt Drive drängelten. Herrgott, der Angriff konnte jetzt jederzeit losgehen.
Wie würden sie ihn durchführen?
Auf jeden Fall mussten sie die Hühnergrippe versprühen. Das könnte man mit Kanistern von Hand erledigen, indem man durch die Menge ging. Aber das wäre ein Selbstmordanschlag, es sei denn, die Leute, die den Nebel versprühten, trügen Schutzkleidung. Hubschrauber wären mit Sicherheit besser. Wie sie die Ebola-Viren ausbringen wollten, konnte sie sich nicht vorstellen.
Wieder zermarterte sie sich das Hirn, warum Steve Patton an solch einem Wahnsinn beteiligt sein sollte. War er übergeschnappt? Oder war er von Anfang an verrückt gewesen? Völlig zusammenhanglos tauchten plötzlich Szenen vor ihrem inneren Auge auf, wie sie mit ihm schlief, und sie musste wieder würgen.
Sie fürchtete, zu ersticken, und richtete sich halb auf. Dann blickte sie sich um und versuchte etwas zu finden, mit dessen Hilfe sie sich von den Ketten befreien konnte. Ein Teil der fettigen Flüssigkeit aus dem Nebel war an den Spitzen ihrer Wimpern zu kleinen Tröpfchen zusammengelaufen, die ihr Gesichtsfeld mit winzigen Prismen aus Licht umrahmten. Sie erinnerte sich daran, wie sie einmal mit Lisa in einen Schneesturm geraten war. Die Schneeflocken fielen ihnen auf die Augenlider, schmolzen und entzückten sie beide mit demselben Lichteffekt. Diese Erinnerung schmerzte sie wie ein Messerstich.
Wie viel Zeit werde ich haben, um mich auf meinen Tod vorzubereiten? Einen Tag? Stunden? Sie kämpfte gegen die Tränen und entdeckte nichts in ihrer Umgebung, nicht einmal eine scharfe Kante, an der sie das Klebeband durchscheuern konnte, mit dem ihre Handgelenke und Knöchel zusammengebunden waren. Der Rest des riesigen Labors erschien menschenleer und war absolut ruhig, abgesehen vom gleichmäßigen, leisen Geräusch von Steeles Atem. Sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig, als Kathleen plötzlich hinter sich eine Stimme hörte: »Überrascht, Kathleen, nicht wahr?«
Sie schrie auf, riss den Kopf hoch und sah Patton, der drei Meter entfernt mit gekreuzten Armen an einem Labortisch lehnte. Er trug immer noch seinen Schutzanzug, und seine Stimme war durch die Lautsprecher ihres Helmes gekommen, der nun schlaff von ihren Schultern herabhing. Er schien kein Gesicht zu haben, da die Lichtreflexe auf seinem Sichtfenster die untere Hälfte seines Kopfes verbargen, während seine runden Brillengläser wie zwei Wochen zuvor in seinem Büro das Licht einfingen und es unmöglich machten, in seine Augen zu sehen. Sie rutschte so weit, wie es die Ketten erlaubten, von ihm weg.
Chet stand auf den Stufen am Eingang vor dem Haus und sah zu, wie die Massen zum Fluss strömten. »Gehen wir, Martha«, rief er über die Schulter.
»Geduld, Geduld, mein Junge«, erwiderte die Haushälterin, nahm ihren Picknickkorb und holte einen Schirm aus dem Garderobenschrank, nur für den Fall. Wenn auch die Wetterfrösche keinen Regen vorhergesagt hatten, war es doch ein schwüler, bedeckter Tag gewesen, und ihr Rheuma hatte sich gemeldet. »Das Dach läuft dir schon nicht weg.«
»Ja, schon, aber ich will einen guten Platz am Rand haben.«
Sie trat aus der Tür auf den Treppenabsatz, zog
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