Der Unsichtbare Feind
der Pflanzen-DNA auszuschneiden und einzubauen. Nur dass die Enzyme in diesem Fall auch die Gene der Invasoren ausschneiden und einbauen werden.
Bis zum Morgen werden Fragmente der Vektoren und ihrer besonderen Fracht in Kernen der Pflanzenzellen eingebaut sein, bereit, Teil des genetischen Räderwerks der Pflanze zu werden. Hier werden sie gelesen, kopiert und an neu gebildete Zellen weitergegeben, während der Sprössling wächst. Dabei bildet sich ein so genanntes genetisches Mosaik. Bis Mitte Mai werden diese neuen Pflanzen, die schon so verändert sind, dass sie schnell reif werden, Saat produziert haben und Monate vor dem gewöhnlichen Futtermais erntereif sein. Nach unseren Insider-Informationen beabsichtigt Biofeed, diesen Mais kommerziell als eine schnell keimende Sorte zu vertreiben, die für eine zweite Aussaat im späten Frühling geeignet ist. Die Farmer werden die Aussicht, ihre Ernteerträge pro Saison zu verdoppeln, zweifellos attraktiv finden und die Saat in den Boden bringen. Niemand wird bemerken, dass die meisten Zellkerne auch eine tödliche genetische Botschaft tragen, die sie an die nächste Pflanzengeneration weitergeben. Gegen Ende des Sommers, wenn die zweite Ernte reif wird, werden sie nicht nur zu Futter für Nutzvieh, sondern auch für Aasfresser – Nagetiere, Vögel, sogar Insekten. Wir gehen jede Wette ein, dass unser Passagier in wenigstens einer dieser Kreaturen finden wird, was er zum Überleben braucht, und sich in einem amerikanischen Wirt niederlässt, wo er sich vermehren kann – genauso, wie er einmal in Afrika und, wie wir glauben, vor mehr als zwei Jahrtausenden in Athen eine Zuflucht gefunden hat. Dann wird das große Sterben beginnen, nur dass es diesmal im Herzland Amerikas sein wird.«
»Und welches ist dieser amerikanische Wirt, in dem er Fuß fassen kann?«
»Das ist eines unserer am besten gehüteten Geheimnisse – nur eine Hand voll unser führenden Persönlichkeiten kennt es –, und genau das macht den Reiz unseres Planes aus. Niemand auf diesem Planeten außer Ihnen, nicht einmal bei Ihrem allmächtigen CDC in Atlanta, war je in der Lage herauszufinden, worum es geht – selbst wenn sie tausend Tierarten getestet hätten.«
»Und wie haben Sie Erfolg gehabt, wo das CDC gescheitert ist?«
»Studieren Sie die Geschichte dieses Organismus. Seine Erforschung ist so gefährlich, dass nur ein Dutzend Institute auf der Welt so ausgerüstet sind, dass sie damit arbeiten können, und auch dann nur innerhalb strikter Grenzen, wegen der extremen Risiken, die damit verbunden sind. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist, dass der tödlichste Organismus auf der Erdoberfläche auch der geheimnisvollste ist – seine Pathogenität ist noch kaum verstanden, die lebenden Reservoirs, in denen er sich zwischen den Attacken versteckt, sind unbekannt, und die Mechanismen, mit deren Hilfe er in Primaten eindringt, sind ein ungelöstes Rätsel. Was alles unseren Zwecken dienlich ist.«
»Sie haben uns immer noch nicht erklärt, wie Sie den Wirt identifiziert haben.«
»Wir hatten die weitaus hingebungsvolleren Mitarbeiter – Virologen und Genetiker, die bereit waren, den höchsten Preis zu bezahlen, nicht nur, um die Geheimnisse dieses perfekten Killers zu lüften, sondern auch, um das Segment seines genetischen Codes, das die tödlichen Toxine produziert, zu identifizieren und ihn in einen hoch infektiösen Vektor einzubauen. Es ist ihnen übrigens gelungen, die versteckten Gene durch den Einsatz genetischer Regler – so genannter Promotoren und Transposone – mit Zeitzündern zu versehen. Tatsächlich wird der Code des Virus nur aktiviert und vollständig zum Ausdruck kommen, wenn er auf ein Enzym trifft, das allein in seinem natürlichen Wirt vorkommt. Dadurch ist gesichert, dass er nicht unbeabsichtigt das Wachstum des Futtermaises beeinflusst. Aber sobald er in die Därme eines Tieres gelangt, in dem er gedeihen kann – ob Gliederfüßler oder Wirbeltier –, wird er aktiviert, er wird in die Zellen dieses Wirtes eindringen, sich vervielfältigen und sein Gift ausschütten.«
»Für mich klingt das alles wie eine Menge leeres Geschwafel. Woher soll ich wissen, dass Sie irgendetwas davon wirklich gemacht haben?«
»Sehen Sie«, hatte der Techniker gesagt und einen Videomonitor eingeschaltet.
Morgan erschauerte in dem windigen Cockpit und versuchte, die Erinnerungen an das, was er als Nächstes gesehen hatte, zu vergraben. Aber die grobkörnigen Bilder gingen
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