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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihre Richtung. Nur um zu sehen, ob sie fertig war, redete er sich ein. Doch ihre Silhouette blieb immer noch sehr freizügig, bis er schließlich wieder den Blick auf sie richtete und dort ruhen ließ, überrascht, dass er Interesse verspürte.
    Eine Brise bewegte die Falten ihres Kleides und hob den Rock um ihren Körper ganz leicht an wie eine Glocke. Während er sie betrachtete, stellte sie ihre Beine weiter auseinander, als ob sie die kühle Luft frei um ihre unteren Extremitäten streichen lassen wollte. Obwohl er sich wegen seiner plötzlichen Lüsternheit schämte, ließ er dennoch seine Augen aufwärts schweifen, wobei er ihre schmale Taille musterte und besonders den Schwung ihres schlanken, eleganten Halses, wo sich einige Haarsträhnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, an ihre bronzefarbene Haut schmiegten. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, nur den Umriss ihrer Wange, und im letzten Licht des Sonnenuntergangs entdeckte er einen feinen Flaum auf der Wange, wie ein zarter Hauch. Der Duft ihres Parfüms machte seinen Rausch komplett.
    Sie hörte auf zu sprechen, entschuldigte sich bei ihren letzten Zuhörern und drehte sich um, nur um ihn dabei zu ertappen, wie er sie anstarrte. »Hallo«, sagte sie zögernd und sah ihn verwirrt an.
    Er spürte, wie er errötete. »Äh, hallo. Ich bin Dr. Richard Steele aus New York«, begann er und streckte die Hand aus. »Ich habe die Hoffnung, dass Sie einem Medizinerkollegen ein wenig helfen könnten. Sie scheinen mit all den Fragen, die man Ihnen stellt, keinerlei Schwierigkeiten zu haben. Ich bin neu in dem Geschäft und komme nicht halb so gut zurecht. Offen gesagt, ich komme mir langsam dumm vor.«
    Sie musterte ihn einen Augenblick lang mit verschränkten Armen und leicht zur Seite geneigtem Kopf, lange genug, dass er an der zierlichen Form ihrer schlanken Nase und an ihren vollen Lippen Gefallen finden konnte. Dann lächelte sie, und in ihren Mundwinkeln bildeten sich kleine Lachfalten, aber ihre Augen waren an diesem Gruß unbeteiligt. Sie blieben dunkel und gleichgültig und verliehen ihrem Blick eine Traurigkeit, die im Gegensatz zum Gesamteindruck stand. »Natürlich helfe ich Ihnen, wenn ich kann«, sagte sie, ergriff seine Hand und ließ ihr Namensschild sehen. »Ich bin Dr. Sandra Arness aus Honolulu. Ich fürchte, das ist der Grund, warum mich so viele Leute gelöchert haben. Die meisten wollten nur wissen, wo man gut essen kann.«
    Er kicherte. »Also, jetzt bin ich aber erleichtert. Und ich dachte schon, dass ich im Vergleich zu Ihnen hoffnungslos unterqualifiziert bin. Welche medizinische Fachrichtung vertreten Sie?«
    Ihre Augen wanderten kaum merklich von ihm weg. »Ich bin praktische Ärztin«, sagte sie schnell. »Aber im Moment habe ich ein Sabbatjahr und praktiziere nicht. Und Sie?« Die Frage kam wie ein Return beim Tennis.
    »Notfallmedizin. Nur dass ich vor über fünf Monaten von einem Herzinfarkt ausgepunktet wurde.«
    »Oh, das tut mir Leid. Werden Sie wieder arbeiten können?«
    »Hoffentlich. Meine neuen Meister, die Kardiologen, bestehen darauf, dass ich warte, bis sie sich sicher sind. Aber es geht mir schon wieder gut.«
    Sie schien nicht zu wissen, was sie sagen sollte, und zwirbelte den langen Stiel ihres Champagnerglases zwischen den Fingern.
    »Sagen Sie, darf ich Ihnen die Luft aus dem Glas lassen?«, bot er an.
    »Sicher«, antwortete sie.
    Als sie zusammen zur Bar gingen, bemerkte er, dass sie keinen Ehering trug.
    Nachdem sie ihre Gläser wieder gefüllt hatten, fanden sie einen freien Tisch in einer Ecke. Während sie sich unterhielten, vermied sie, ihm viel von sich zu erzählen, gab beiläufig zu, dass sie geschieden war und gab vage ›Gesundheitsprobleme‹ als Grund dafür an, dass sie zur Zeit nicht arbeitete, und als er fragte, warum sie an der Konferenz teilnahm, stellte sie einfach fest: »Das Thema interessiert mich.« Dennoch waren ihre Fragen an ihn so eindringlich und mitfühlend, dass er ihr, bevor eine Stunde vergangen war, seine Schwierigkeiten anvertraut hatte, sich an das Leben als Witwer zu gewöhnen, seine problematische Beziehung zu Chet und seinen emotionellen Aufruhr, nachdem er fast gestorben war. »Sie sind sicher, dass Sie keine Psychiaterin sind?«, witzelte er nervös und zog sich instinktiv zurück, nachdem ihm klar wurde, wie weit er ihr sein Herz ausgeschüttet hatte. »Bei mir zu Hause habe ich das alles noch keinem gesagt.«
    »Ich weiß nur eine Menge über Verlust, das ist alles«,

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