Der Unsichtbare Feind
zweite Mann ging auf den eingezäunten Platz, ließ sich mit dem Rücken zur Straße auf einer Bank nieder und beobachtete die beiden Hunde, die in einem Scheingefecht spielerisch miteinander balgten und ihre Kräfte maßen.
Als Steele näher kam, unterbrachen sie ihren Krampf, setzten sich Seite an Seite mitten auf den Platz und beobachteten ihn. Dabei fuhren ihre langen rosa Zungen nervös über ihre schwarzen Lefzen. Er schätzte die Höhe des Zaunes ab und fragte sich, ob sie da hinüberspringen konnten. Er muss mindestens ein Meter fünfzig hoch sein, schätzte er, aber man brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass diese massigen Viecher ihn leicht mit einem einzigen Sprung überwanden. Gott sei Dank scheinen sie gehorsam zu sein, beruhigte er sich und hastete die Straße entlang, während er bei jedem Schritt ihren pechschwarzen, starrenden Blick in seinem Rücken spürte.
Die Passage unter dem Franklin D. Roosevelt Drive hindurch, die auf die Esplanade führte, erinnerte ihn immer an einen riesigen Kerker. Sie war 25 Meter breit und ebenso lang, hatte an beiden Enden Eisengitter über die gesamte Höhe und war innen unbeleuchtet. Um den Eindruck einer riesigen Gefängniszelle zu vervollständigen, erstreckte sich die Betondecke über die ganze Fläche in wenig mehr als drei Metern Höhe über dem Steinboden.
Bevor er hineinging, spähte er von einem kleinen, eisernen Tor aus in die Dunkelheit und achtete dabei wie immer auf die schattigen Ecken, wo in seiner Vorstellung unbemerkt jemand lauern konnte. Obwohl New York ein ganzes Stück sicherer als früher war, hatte er den Eindruck, dass dieser schwach beleuchtete Ort praktisch nach Schwierigkeiten rief. Er verströmte auch einen üblen Geruch. Die klamme Luft stank nach Urin und Schlimmerem, sodass er sich entschloss, durch den Mund zu atmen, ein Trick, den er auch anwendete, um mit ähnlichen Düften in der Notaufnahme umzugehen. Ansonsten schien der Ort menschenleer zu sein.
Er blickte hinter sich. Weder die Hunde noch der Mann schenkten ihm Beachtung. Er schimpfte mit sich selbst, dass er so überängstlich war, betrat die Unterführung und schritt mit forschem Schritt auf den Ausgang am anderen Ende zu. Er durchquerte die Passage in weniger als dreißig Sekunden. Aber als er am anderen Ende ankam, war das Tor mit einem Vorhängeschloss verriegelt.
»Was zur Hölle soll das?«, murmelte er, und die Kammer verstärkte seine Stimme. Das Echo pulsierte mehrfach durch die niedrige Höhle, bevor es sich mit dem ständigen Verkehrslärm mischte, der von oben durch Stahl und Beton drang. Verwirrt wollte er den Weg zurückgehen, den er gekommen war, als sich ein neues Geräusch in den allgemeinen Lärm einschlich. Er erstarrte. Aus der Dunkelheit hinter ihm erhob sich ein tiefes, deutliches Knurren, das immer lauter wurde, und dessen Echo noch dazukam und das Knurren noch weiter verstärkte. Ein zweites Grollen erklang. Langsam drehte er seinen Kopf und sah zwei glühende Augenpaare über funkelnden weißen Fangzähnen.
Er wagte nicht zu atmen, blinzelte nicht einmal.
Er drehte seine Augen in den Höhlen so weit zur Seite, wie es eben ging, und versuchte zu sehen, ob ihre Besitzer mitgekommen waren.
Niemand.
Sie müssen von dem Übungsgelände weggelaufen sein, dachte er und erwartete jeden Augenblick, dass der Mann sie zurückrufen würde.
Nichts.
Das Knurren wurde intensiver.
Soll ich sie anschreien?, überlegte er, und Panik stieg in ihm hoch. Oder wird das einen Angriff auslösen?
Aus dem Augenwinkel sah er, wie eines der Tiere den Kopf senkte und einen Schritt auf ihn zuging. Das andere folgte ihm mit halb geöffneten Kiefern und zurückgezogenen Lefzen, und die kehligen Laute, die aus seinem Rachen drangen, klangen wilder als zuvor. Ihr starrer Blick ließ ihn nicht los, er war wie gelähmt von dem Blutrausch, den er in ihren wässrigen Pupillen sah, und las in ihnen einen Hunger, der so ursprünglich war wie bei einem Raubtier im Dschungel. Im nächsten Augenblick sah er, wie sich die Lenden des Hundes, der ihm am nächsten war, in der Bewegung spannten.
Es war Zeit zu handeln.
»Hilfe!«, schrie er, machte einen Satz vorwärts, umklammerte die Eisenstäbe und zog sich so schnell er konnte nach oben.
Der erste Hund sprang hoch und packte seine linke Wade, während er die Barriere hochkletterte. Vor Schmerz aufschreiend, trat er zu und schüttelte das Tier ab. Der andere Hund verfehlte ihn ganz, als er eine Sekunde zu spät
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