Der unsichtbare Feind (German Edition)
zu nennen, nicht interessierte. Anonymous war ein weltweites Netzwerk,
bestehend aus Hackern, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten,
Ungerechtigkeiten zu entlarven und zu veröffentlichen. Die Methoden der Gruppe
waren in Fachkreisen allerdings mehr als umstritten.
„Euch kenne ich“, zischte
Stark verärgert, „und ich dachte du bist sauber!“
„Das bin ich auch“, bestand
Manuel, „wir sind für Redefreiheit und die Unabhängigkeit des Internets. Wir
alle leben in einer Welt der Überwachung und des Diktats. Freiheit ist etwas,
das wir vor langer Zeit verloren haben. Dagegen wehren wir uns. Wenn das für
dich kriminell ist, dann ist es eben so.“
„Erzähl mir doch keinen
Scheiß, Bursche.“
„Scheiß? Für dich bin ich
vielleicht nur ein fetter Typ, der schon viel zu lange bei seiner Mutter wohnt
und Tag und Nacht am Computer spielt. Aber in Wirklichkeit bin ich es, der für
Leute wie dich kämpft!“
Diese Worte hatten Stark auf
seiner schwachen Seite erwischt. Manuel hatte recht. Für ihn war er nur ein
armer Wicht, der sein Leben nicht in den Griff bekommen wollte. Stark
schüttelte den Kopf. Er war zornig. Zornig über sich selbst und seine
vorverurteilende Einstellung. Er war zornig, genauso zu sein, wie sein Vater es
immer gewesen war.
„Jetzt hört endlich auf,
euch zu zanken“, sprach Tanja schließlich ein Machtwort, „Manuel wir brauchen
dringend deine Hilfe. Wir haben eine Zugangskarte und müssen unbedingt wissen,
wem sie gehört. Viele Menschenleben hängen davon ab. Bitte hilf uns“, flehte
Tanja den Hacker an.
Manuel legte die Stirn in
Falten: „Ihr braucht also wirklich meine Hilfe, nicht nur einen Unterschlupf?“
„Nein Manuel“, sagte Stark
zerknirscht, „wir brauchen tatsächlich deine Hilfe …“, er seufzte dann sprach
er gequält weiter, „… als Hacker.“
Manuel schien es, als wäre
er um gut einen halben Meter gewachsen.
Im Brustton der Überzeugung
sagte er schließlich: „Her mit der Karte!“
Tanja konnte die
Erleichterung in ihrem Gesicht kaum verbergen. Mit dem Ellenbogen stieß sie
Stark in die Rippen und bedeutete ihm die Karte herzugeben. Manuel nahm das
Stück Plastik an sich und setzte sich an den Schreibtisch.
„Eines würde mich noch
interessieren“, sagte Manuel, bereits tief in sein Vorhaben konzentriert,
„warum trägt ihr so stinkende Kleidung?“
„Das ist eine lange
Geschichte“, sagte Stark und ließ den Rest in der Luft schweben.
Manuel schaltete die
Schreibtischlampe an und hielt die Karte in den Lichtkegel. Dann startete er
eine Suchmaschine und tippte das Wort „HumanPharm“ ein. Er legte die Webadresse
des Pharmakonzerns in den Zwischenspeicher und widmete sich erneut der Karte.
„Also gut, dann wollen wir
mal loslegen“, flüsterte Manuel beschwörend, verschränkte seine Finger
ineinander und streckte die Arme durch, bis ein Knacken in den Fingerknochen
durch das vollgestopfte Zimmer raunte.
Manuel doppelklickte wieder
das Symbol auf seinem Desktop, das das Anonymous Logo darstellte. Das Fester,
dass sich öffnete, glich einem Standardbrowser. Nach der Eingabe eines Codes
betätigte Manuel die Enter Taste. Wie von Geisterhand schloss sich das Fenster
und ein neues, in seiner Gestaltung völlig unterschiedliches Fenster, wurde vom
PC aufgebaut.
„Das ist die Welt von
Anonymous“, sagte Manuel mit harter Stimme, „jetzt werdet ihr Zeugen einer
Cyberattacke.“
In ein einzeiliges
Eingabefeld fügte er die Webadresse von HumanPharm, die er sich in den
Zwischenspeicher gelegt hatte, ein, wählte das Kontrollkästchen „Verbrecher
gegen die Freiheit“ und klickte auf einen rot blinkenden Button mit der
Aufschrift „Attack“. Dann legte er die Plastikkarte auf die Glasplatte eines
Flachbettscanners und drückte die Taste „Scannen“.
Der Motor der Abtasteinheit
erwachte zum Leben und schob den Lesekopf unter der Karte hindurch, auf der der
Data Matrix Code gedruckt war.
Per drag and drop zog er die
durch den Scan entstandene Datei in ein weiß unterlegtes Feld des Anonymous
Programms, schrieb die Zeile „bitte den Inhalt des Codes an mich retour“ und
klickte auf „im Netzwerk verbreiten“.
Dann lehnte er sich zurück,
griff zu der ausgekühlten Tasse Kakao, auf der sich eine Haut gebildet hatte,
und zog genüsslich am Strohhalm.
„Seht ihr die zwei Anzeigen
hier?“, fragte er und tippte mit dem Zeigefinger auf den Monitor. Seine Finger
hatten einen fettigen Abdruck an der Stelle hinterlassen, an der
Weitere Kostenlose Bücher