Der unsichtbare Feind
Waffen. Zusammen mit ein paar Männern seiner Begleitung ging Luxon die schmalen Stufen des Niedergangs hinunter und warf sich auf die schmale, harte Liege.
Noch schlief er nicht, als sich ein Krieger in das halbdunkle Gelaß schob.
»Du bist der Steuermann aus Lyrland, der mit dem Luminaten kam?« lautete seine geflüsterte Frage.
»So ist es«, knurrte Luxon. »Willst du mich zu Aiquos bringen?«
»Nein. Du weißt, daß er die Barbarenflotte erwartet.«
»Ja.«
»Er wird sie mit seinem Zauber vernichten.«
»Das ist möglich«, wich Luxon aus. »Aber auch die Barbaren wissen zu kämpfen. Ich habe mir erzählen lassen, daß sie wie Dämonen segeln und wie die Raubtiere zuschlagen können.«
»Seid ihr auf der Seite der Barbaren?«
»Wir sind auf der Seite der Vernunft. Der Lichtbote bestimmt, was geschehen wird. Die Völker der Zaketen, der Anwohner der Dunkelzone und die Barbaren sollten einem einzigen Gesetz gehorchen. Wem nützt der Kampf außer den Mächtigen?«
»Du hast recht. Wenn Aiquos gnadenlos ist, obwohl er siegt, wie werdet ihr euch verhalten? Ich glaube zu erkennen, daß ihr wohl zu fechten versteht.«
Luxon blieb vorsichtig und entgegnete:
»Ich weiß es nicht. Willst du mich überreden, an einer Meuterei teilzunehmen? Auf einem Schiff voller begeisterter oder gehorsamer Männer, die dem Aiquos dienen?«
»Nein«, sagte der unbekannte Colcoper mit heiserer Stimme. »Denke darüber nach, was du eben gehört hast.«
»Ich denke nicht nur darüber nach«, sagte Luxon mürrisch, gähnte und drehte sein Gesicht zur Wand. Sofort schlief er ein, und seine letzten Gedanken enthielten eine winzige Spur neuer Hoffnung.
Gut drei Stunden später weckte ihn Hesert.
»Gibt es etwas Neues?« murmelte Luxon schläfrig, rieb seine Augen und schwang sich ächzend von der Liege. Hesert brummte:
»Nichts. Aiquos entfesselt einen gewaltigen Zauber. Die Duinen unterstützen ihn. Aber sie sind müde geworden. Die Mannschaft scheint sich in zwei Lager zu spalten; diejenigen, die den Kampf scheuen und den Lichtboten herbeisehnen, sind freilich in der Minderzahl.«
»Das deckt sich mit meinen Eindrücken«, sagte Luxon, stürzte einen Becher schalen Wassers herunter und kletterte mit schmerzenden Muskeln an Deck. Dort erwartete ihn ein erstaunliches Bild.
Langsam driftete die Nullora vor dem Wind nach Osten.
Sie rauschte mit breitem Kielwasser und wenig Bugwelle vor der Flotte entlang, zum zehnten oder zwanzigsten Mal. Die Laternen der Galeeren bildeten eine Lichterkette in der Dunkelheit, unterhalb des Horizonts zwischen Himmel und Meer. Im Mondlicht hatten alle Wellen scharfe, leuchtende Kanten und verschwimmende Linien.
Die Schiffe der Flotte hatten sich in der Dunkelheit dichter aneinander geschoben. Auch auf der Nullora brannten in eisernen Käfigen zwei mächtige Feuer aus Dochten und heißem Öl.
Mannschaften und Soldaten lagen schlafend auf den Planken und hatten sich in ihre Mäntel gewickelt. Ein schauerlicher Chor des Schnarchens übertönte die Geräusche des Wassers und das Pfeifen des Windes in Segeln und Takelage.
Vorsichtig stieg Luxon, sich an der Reling festhaltend, über die zusammengekrümmten oder ausgestreckten Körper. Den wenigen Wächtern, die bei seinen Schritten aufmerksam wurden, nickte er beschwichtigend zu und hob die Hand. Sie erkannten ihn und ließen ihn passieren. Langsam bahnte er sich seinen Weg in die Richtung des Bugs.
Aiquos saß in seinem Sessel, inmitten der vielen Flammen und der magischen Geräte, umgeben von Flammen und den schimmernden leuchtenden Linien auf den Planken der Plattform. Seine Augen waren geschlossen. Tiefe Kerben der Konzentration hatten sich in sein Gesicht gegraben und wurden von den Schatten vertieft. Über seinem Kopf erhob sich eine fahle Lichterscheinung, ein gelblichweißes Strahlen, das nur um ein geringes heller war als die Nacht und der Glanz von Sternen und Mond.
Es war ein dünner Faden, nicht dicker als ein Lanzenschaft, der förmlich zwischen den halb erhobenen Händen anfing oder endete. Einige Mannsgrößen über dem Deck schwoll der Strahl an, wurde breiter und breiter und verlor einiges von seiner Kraft, bis er schließlich, wie ein umgedrehtes Zelt, sich in der Weite zwischen den Sternen verlor.
Fassungslos beobachtete Luxon diesen Vorgang.
Er war sicher, einem gewaltigen Zauber beizuwohnen. Unaufhörlich bewegten sich die fahlen, vagen Grenzen dieses gigantischen Trichters. Sie senkten sich tiefer zum Wasser, dehnten sich
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