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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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stand Keméle.
»Wer ist das?« flüsterte Stroganoff.
    »Was?« Djagganaut tat erstaunt. Er wich Stroganoffs Blick nicht aus.
»Da steht doch jemand hinter dir, eine Frau.«
»Eine Frau?«
»Ich sehe sie ganz deutlich. Was sind das für Späße?« »Hier ist niemand.«
»Djagganaut…«
    »Ich bin allein, wie sonst! Woher sollte eine Frau kommen? Vielleicht vom Stern Capella?«
Der freundliche Spott beruhigte Stroganoff nicht. Er schüttelte den Kopf. »Ich sehe sie ganz deutlich. Merkwürdig, ich habe solche Empfangsstörung noch nicht erlebt.« Er musterte Djagganauts starres Gesicht. »Irgend etwas stimmt nicht bei dir, weiß der Teufel… Am besten, du bleibst ganz ruhig, bis wir bei dir sind. Zwei Stunden, hörst du, wir beeilen uns, in zwei Stunden sind wir da.«
Stroganoffs Bild verblaßte. In sich versunken, blieb Djagganaut sitzen. Keméle trat von hinten an ihn heran.
    »Verzeih. Ich war neugierig, einen anderen Menschen zu sehen.«
»Schon gut.« Müde stand er auf.
Sie schmiegte sich an ihn, legte ihm die Arme um den Hals. »Meine Zeit ist bald um. Ich muß gehen.«
    Verstört entzifferte er den Sinn ihrer Worte. Dann richtete er sich auf, preßte sie fest an sich. »Wir haben noch Zeit. Geh nicht.«
Sie lächelte ihn zärtlich an. »Was wird anders dadurch? Ich bin für dich eine Fata Morgana.«
    Woher kam nur die Kraft, die ihn aufrecht hielt, die ihn sagen ließ: »Ich muß wissen, wie du bist. Ich lasse dich nicht eher weg. Ich will alles von dir erfahren, alles. Was verbirgst du vor mir? Wer bist du?«
    Er setzte die Frage an wie ein Skalpell, führte es mit der Sachlichkeit des Operateurs, mit der erbarmungslosen Fanatisiertheit des Forschers.
    Sie wehrte ihn sanft ab. »Vielleicht wirst du es erfahren, wenn wir auf der Erde landen, und du wirst entsetzt sein. Warum willst du dich deiner Illusion berauben? Warum willst du die schöne Erinnerung zerstören?«
    »Vielleicht hast du recht«, murmelte er. »Warum eigentlich?« Er brütete eine Weile dumpf vor sich hin. Doch überraschend änderte sich seine Stimmung, machte hektischer Aufgeräumtheit Platz. Um sie zu täuschen, überhäufte er sie mit Zärtlichkeiten.
»Ich muß gehen«, sagte sie.
    Während er sie entkleidete, tasteten seine Hände über ihren Körper, um einen verräterischen Ansatz zu ihrem eigentlichen, unvorstellbaren Sein zu entdecken.
»Ich muß gehen.«
     
Er ließ sich nicht beirren. Seine Gier, das Ungeheuerliche zu entschleiern, trieb ihn vorwärts.
    »Wie war das heute nacht? Weshalb hast du mit mir geschlafen?«
»Ich habe deinen Samen aufgenommen. Wir werden ihn analysieren.«
»Was bist du für ein Ungeheuer! Wie sieht der Körper aus, der ein solches Monstrum beherbergt?«
»Du darfst es nicht wissen, nicht jetzt. Es würde dich…«
    Er lachte spöttisch. »Du Unmensch, sorgst du dich um mich?«
»Ich möchte nicht, daß du unglücklich wirst.«
In seinem grauenhaften Begehren flüsterte er keuchend: »Du weißt nichts von meinem Glück. Ihr wißt nichts von den Menschen.« Erschöpft ließ er von ihr ab. Mit steigender Unruhe empfand er ihre Nähe wie die einer Fremden. Als Keméle würde sie in der Düsternis des Planeten entschwinden, für immer. Waren sie ihm nicht beide gleichermaßen fremd, sie und ihr irdisches Ebenbild?
    Als sie die Zentrale verlassen wollte, stellte er sich ihr in den Weg. Ihr Blick schleuderte ihn beiseite. Er verlor das Bewußtsein. Sie nahm das Kleid über den Arm und verließ lautlos den Raum.
Er kam zu sich. Fieberhaft suchten seine Hände einen Halt. Von Angst gejagt, taumelte er zum Kontrollfeld.
    Die Schleuse wurde von zwei Kameras überwacht. Es gab keinen toten Winkel.
Sie trat mit ruhigen Bewegungen ein, betätigte die Schleusenautomatik, wie sie es ihm abgesehen hatte. Langsam sank der Zeiger auf Djagganauts Pult zurück.
Mit einem Fingerdruck blockierte er den Ausgang.
    Sie bemerkte es sofort. Suchend streifte ihr Blick die Kameras.
»Warum tust du das? Laß mich hinaus. Du kannst mich nicht aufhalten.«
Er schüttelte eigensinnig den Kopf, stützte seinen schweren Leib mit beiden Armen auf das Pult.
    »Ich muß wissen, wer du bist. Du mußt dich mir zeigen. Ich habe ein Recht darauf. Es ist deine moralische Pflicht. Es darf keine Geheimnisse zwischen uns geben. Ich muß alles von dir wissen, alles, so wie du von mir…«
    Ihre Gesichtszüge gefroren in Unbeweglichkeit. Nichts Menschliches befand sich mehr darin. »Du verlangst alles, aber du zerstörst das eine mit dem anderen.

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