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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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Artie das Zimmer. Die Klinge des Schwerts war auf einmal fast schwarz und kleine dunkle Funken begannen von ihr abzufallen.
    Artie warf einen kurzen Blick auf den Glasknauf seines Schwerts. Ein Strudel aus dem dunkelsten Schwarz, das er jemals gesehen hatte, wirbelte darin umher. Natürlich! Excalibur konnte einen Raum vollkommen verdunkeln, wenn er es darum bat!
    Artie fragte: »Wer hat dich geschickt?«
    Der Moosmann antwortete nicht.
    »Lass sie gehen!«, forderte der junge König.
    Der Moosmann schüttelte den Kopf.
    Daraufhin rammte Artie Excalibur in den Boden und befahl: »Dunkelheit!«
    Aus Excaliburs Blutkanal kamen Wellen von Finsternis, die alles einhüllten. Es war, als hätte sich ein riesiger Oktopus dazugesellt und Qwons Zimmer über und über in Tinte getaucht.
    In diesem Moment erschienen oben an der Treppe Lance und Frau Onakea, die sich fragten, was um Himmels willen da oben los war. Als Frau Onakea die kaum mehr vorhandene Tür von Qwons Zimmer sah, wurde sie ohnmächtig vor Schreck. Lance fing sie auf und legte sie sanft auf den Boden. Dann nahm er seinen Bogen von der Schulter, legte einen Pfeil ein und trat ohne zu zögern in das tintenschwarze Zimmer.
    Es kam ihm vor, als wäre er in einen Tiefseegraben geraten. Völlig orientierungslos konnte er kaum mehr rechts von links und oben von unten unterscheiden. Um mehr Halt zu haben, ließ er sich auf ein Knie nieder. Dann spannte er den Bogen und machte sich zum Schuss bereit.
    Auch Artie war zunächst von der Dunkelheit überwältigt gewesen, doch zu seinem Glück verlieh Excalibur ihm die Fähigkeit, im Dunkeln sehen zu können.
    So konnte Artie Qwon und ihren Geiselnehmer sehr gut erkennen. Irritiert hatte sich der Moosmann in Richtung Badezimmertür bewegt. Qwon hatte er auf den Boden gedrückt, kniete jetzt auf ihrem unteren Rücken und fummelte an einer Hüfttasche herum. Artie überlegte, Excalibur auf ihn zu schleudern, doch dann bemerkte er Lance hinter sich.
    Artie warf einen Blick über die Schulter. Lance blickte in die falsche Richtung. »Auf drei Uhr!«, dirigierte ihn Artie.
    Wortlos machte der Taxifahrer einen Schwenk von genau neunzig Grad.
    »Leuchte den Weg!«, befahl Artie Excalibur.
    Kaum hatte Lance sich umgedreht, erschien ein schmaler Lichttunnel in seinem Blickfeld. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, zu begreifen, worum es sich handelte. Das, was er am Ende des Tunnels sah, war jedenfalls das am wenigsten bedrohliche Zielobjekt, das er sich vorstellen konnte: ein Büschel aus dichtem grünen Moos.
    »Schieß!«, schrie Artie.
    Und Lance schoss. Sirrend schnellte der Pfeil von der Bogensehne.
    Schleunigst legte Lance einen weiteren Pfeil ein, doch der Sog seines ersten Schusses hatte sein Sichtfeld wieder verdunkelt.
    Artie hatte mit dem Licht den Kopf des Moosmanns für Lance’ Schuss markiert, doch der Moosmann war flink. Es mochte sein sechster Sinn oder einfach nur Glück gewesen sein. Jedenfalls stand er auf einmal auf, als Lance die Sehne losließ, und anstatt seinen Kopf zu durchbohren, traf ihn der Pfeil mit einem abscheulichen Plop genau über der Hüfte. Er ging glatt durch ihn hindurch und prallte laut gegen irgendetwas in Qwons Bad, bevor er klappernd zu Boden fiel.
    Der Getroffene schrie vor Schmerz auf. Die Stimme kam Artie bekannt vor, doch er konnte sie in diesem Durcheinander nicht einordnen.
    Als der Moosmann etwas Kleines auf den Boden warf, öffnete sich langsam ein Tor vor ihm. Es war nicht wie Arties Mondtor – dieses Tor zuckte strahlenförmig auf wie eine dieser lila- und rosafarbenen elektrischen Plasmalampen. Das Wesen schleifte Qwon hindurch und im nächsten Moment waren sie verschwunden.
    Die elektrisch aufgeladene Luft roch wie nach einem Blitzeinschlag. Artie sank auf die Knie.
    Excalibur sog die Dunkelheit aus dem Raum. Jetzt drang das spätsommerliche Abendlicht wieder durch das Fenster herein. Wie verrückt zwitscherten die Vögel vor dem Haus und wollten gar nicht mehr aufhören.
    Lance atmete hörbar aus. »Ich habe ihn doch nicht verfehlt, oder?«
    »Nein«, seufzte Artie. »Er hat sich nur in letzter Sekunde bewegt.«
    Lance stand auf, ging zu Artie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, Artie.«
    Artie wandte sich ihm zu, stählerne Entschlossenheit lag in seinem Blick. »Ich werde sie retten, Lance. Es ist mir ganz egal, wie lange es dauert, aber ich werde sie auf jeden Fall retten.«

Kapitel 25
    IN DEM ARTIE SICH FRAGT,
WAS ZUM TEUFEL ÜBERHAUPT EIN

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