Der unsterbliche Mr Cooper
ausgependelt hatte. Dann drückte er mit schweißigen Fingern den Knopf für den Meßbefehl und starrte auf die Skala, wo gleich die rote Säule emp orschießen mußte. Aber sie kam nicht über den Nullwert hinaus. Es besteht noch eine Möglichkeit, dachte er. Die Meßsonde könnte beschädigt sein.
Er schaltete Monitor I ein, dessen Kamera über der großen Eingangstür unter verbleitem Glas angebracht war. Das Bild kam, und Richard Cooper
atmete auf. Alles war in Ordnung. Die Erde stand, lebte. Kein Atomfeuer hatte sie in diesen hundert Jahren zerstört.
Das Bild zeigte den Weg vor der Luke zum Bunker, die Masten des elektronischen Sperrzaunes und dahinter den schier undurchdringlich ge wordenen hohen Wald. Richard Cooper fühlte sich wie in einem eben gelandeten Raumschiff, als er die Außenmikrofone einschaltete. Aber die Lautsprecher, stereophon angeordnet, schwiegen. Nur leises Rauschen war zu vernehmen.
Jetzt hielt ihn nichts mehr! Cloth konnte kaum Schritt halten, so stürmte Cooper zum Lift. Er öffnete die Tür und ließ sich nach oben bringen. Es funktionierte einwandfrei, und er war stolz auf sein Haus.
Im Empfangsraum war alles wie vor hundert Jahren. Die Geweihe, der Saukopf, der Kamin, in dem noch nie ein Feuer gelodert hatte, und die Ahnengalerie entlang der T reppe . . . Halt! Da war etwas verändert! Ein Bild war hinzugekommen!
Cooper eilte die Treppe hinauf und warf sich in die Brust. Als oberstes Bild hing sein eigenes Konterfei in Öl und Goldrahmen. Hinab schritt er die Treppe, und es zog ihn ganz von selbst vor den Kristallspiegel neben dem Treppenaufgang.
Da mußte er sich an der Wand festhalten. Wie sah er denn aus? In seinem Gesicht wucherte ein mächtiger Bart. Die Ellenbogen waren durch gescheuert, und durch das linke Hosenbein spießte sein blutiges Knie.
Ich muß gründlich Toilette machen und mich neu einkleiden, dachte er. Ihm wurde das Fehlen eines Dieners bewußt.
„Butler!” rief er laut und erschrak vor seiner Stimme, die seltsam hohl in dem leeren Haus klang.
Nach seinem Ruf schlug ihm die Stille über dem Kopf zusammen, und er eilte zum Entree, riß die Tür auf. Der Tag sah durch die Scheiben freund licher aus, als er war, und Cooper wurde fröstelnd daran erinnert, daß es Ende November sein mußte.
Er stand an der Brüstung der Auffahrt und schaute dorthin, wo die Straße zu seinem Haus vom Highway abzweigte. Sosehr er seine Augen anstrengte, er konnte keine Bewegung entdecken.
Richard Cooper begriff nichts, und langsam begann ihm das unheimlich zu werden. Er erinnerte sich des Telefons, das im Empfangsraum stand, und er lief hinein, wählte eine Nummer. Irgendeine. Nur eine menschliche Stimme hören! Der Apparat schwieg, war anscheinend nicht angeschlossen. Ich muß jemanden sehen oder mindestens hören, dachte er, warf den Hörer auf die Gabel und stürmte die Treppe hinauf in sein Zimmer, wo er ein Fernsehgerät und einen Rundfunkempfänger wußte. Doch beide waren verschwunden. Er ärgerte sich, als er daran dachte, wer sie wohl mit- genommen haben mochte. Dann jedoch ließ er sich mutlos in einen Sessel fallen. Was war geschehen? Die Finsternis beim Erwachen, die lebenden Mumien in den Glasvitrinen, die Ruhe im Telefon — das alles hatte in ihm die Erkenntnis reifen lassen, daß etwas Furchtbares passiert war. Seine Welt, sein Amerika existierte nicht mehr! An Atombomben hatte er gedacht, aber seine psychologischen Fernstrahler, die hatte er vergessen.
Als sich in seinem Hirn dieser Gedanke gebildet hatte, brach er in
hemmungsloses Schluchzen aus. Wie stolz und erhaben hatte er noch vor nem Bild in der Ahnengalerie gestanden…
Sein tränengetrübter Blick fiel auf die „New York Times”, die auf dem sch lag. Die Bilder waren herrlich bunt und wirkten dreidimensional. Cooper zog die Zeitung zu sich heran und schaute auf das Datum. 14. Januar 2046, las er. Also vierzig Jahre alt. Aber dieses Bild! Das war doch sein Haus! Mi t zitternden Händen überflog er den Artikel.
Nein! Das konnte nicht sein! Seine Festung Electronica ein Museum? Öffnet Dienstag bis Sonntag? Zu besichtigen: letzte Vertreter der „High Society”.
Cooper schüttelte den Kopf und fing noch einmal an zu lesen. Die Zeilen ve rschwammen ihm vor den Augen. Was nützten ihm die hundert gewo nnenen Jahre, wenn keiner mehr da war, den er mit seinem Geld und seiner Macht für sich anstellen konnte? Kein Diener, kein Chauffeur, keine Kö chin! Er war ja schlimmer dran als ein
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