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Der unteleportierte Mann

Der unteleportierte Mann

Titel: Der unteleportierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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stillvergnügt in sich hinein.
174
XIII
In seinem bogenförmigen Mund lagen die halb gekauten Augen, rollten auf der Oberfläche seiner gierigen, leckenden Zunge. Die, die noch nicht vollständig aufgefressen waren, die, in denen noch ein Glanz schimmerte, betrachteten ihn, während sie leicht hin und her rollten; sie arbeiteten weiter, auch wenn sie nicht länger auf der knolligen, schleimtriefenden äußeren Oberfläche des Kopfes befestigt waren. Neue Augen hatten sich bereits wie winzige bleiche Eier zu bilden begonnen, bemerkte er. Sie hingen in Trauben herab.
Er sah es wirklich. Nicht ein deformiertes, halb halluziniertes Pseudobild, sondern die tatsächliche Erscheinung des zugrunde liegenden Substratwesens, das während langer Zeitspannen diese Paraweit bewohnte oder es irgendwie schaffte, sich in ihr einzunisten — möglicherweise für immer, begriff er mit einem Schaudern. Möglicherweise für die gesamte, absolute Dauer seiner Existenz.
Das mochte ein Zeitraum von solcher Größenordnung sein, daß er jedes verstandesmäßige Begreifen erstickte; das wußte er intuitiv. Das Ding war alt. Und es hatte gelernt, sich von sich selbst zu ernähren. Er fragte sich, wie viele Jahrhunderte wohl verstrichen waren, bevor es auf diese Methode des Überlebens gestoßen war. Er fragte sich, was sonst es noch versucht hatte — und auf was es immer noch zurückgriff, wenn die Notwen- digkeit dazu bestand.
Zweifellos gab es eine Reihe von Techniken, derer es sich bedienen konnte, wenn es dazu gezwungen war. Dieser Akt des Verzehrens seiner eigenen Sinneswerkzeuge ... er schien eine Reflexhandlung zu sein, nicht einmal bewußt vollzogen. Inzwischen ein bloßes Verhaltensmuster, das Geschöpf kaute monoton, und der Glanz in den immer noch sehenden, halb verzehrten Augen erlosch. Aber schon hatten die neuen, die sich in Trauben an der Vorderseite des Kopfes ausbreiteten, begonnen, an Leben zu gewinnen, einige weiter als andere in ihrer Entwicklung fortgeschrittene hatten ihn vage entdeckt und wurden nun mit jeder verstreichenden Sekunde aufmerksamer. Er war Teil ihres ersten Austauschs mit der Wirklichkeit, und die Erkenntnis dessen machte ihn krank vor Ekel. Das erste Objekt zu sein, das von solchen semiautonomen Gebilden erfaßt wurde . . .
Rauh, mit einer Stimme, die von dem Bissen, auf dem es immer noch herumkaute, gedämpft war, begrüßte ihn das Geschöpf: »Guten Morgen. Ich habe ein Buch für Sie. Unterschreiben Sie hier.« Eines seiner Scheinfüßchen krümmte sich zusammen, und seine Spitze begann in einem Krampfanfall zu zucken, der nach einiger Zeit ein dickleibiges, altmodisches, in Pappdeckel gebundenes Buch hervorbrachte, welches das Geschöpf auf einen kleinen Plastiktisch vor Rachmael legte. »Was — ist das für ein Buch?« fragte er. Sein Verstand, betäubt, weigerte sich einzuschreiten, als seine Finger ziellos nach dem stattlichen Band mit dem Golddruck tasteten, den das Geschöpf ihm überreicht hatte.
»Das grundlegende Nachschlagewerk für diesen Erhebungs- unterricht«, antwortete der cephalopodische Organismus, während er fleißig ein langes, vorgedrucktes Formblatt ausfüllte, er benutzte dazu zwei Scheinfüßchen und zwei Schreibgeräte gleichzeitig, was die komplizierte Aufgabe erheblich beschleunigte. »Dr. Bluths großes Hauptwerk in der siebzehn- ten Auflage.« Er schwenkte das Buch, um ihm den reichverzier- ten Rücken zu zeigen. »Wahre und vollständige ökonomische und politische Geschichte Neukolonisiertlands«, informierte er ihn in strengem, würdevollen Tonfall, als wolle er ihn für seine Unkenntnis des Buches tadeln. Oder vielmehr, begriff Rach- mael plötzlich, als nähme er an, allein der Titel werde ohne zusätzliche Hilfsmittel eine überwältigende Wirkung haben. »Hmm«, sagte er daraufhin, immer noch verblüfft — gelinde gesagt. Und er dachte: Es kann nicht sein, aber es ist. Paraweit — welche? Nicht ganz genau so, wie sie sich früher manifestiert hatte; dies war nicht Blau, weil zu seinem flüchtigen, von den anderen Kornkäfern bestätigten Einblick in sie ein zyklopischer Organismus gehörte. Und das hier, bei aller Ähnlichkeit mit der Aquatischen Horrorgestalt, wies mit seinem zusammengesetzten Multi-Augen-System eine grundlegend andere Erscheinung auf.
Konnte das etwa die wirkliche, darunter liegende Realität sein? fragte er sich. Diese Makro-Scheußlichkeit, die nichts ähnelte, was er je zuvor gesehen hatte? Eine groteske Monstrosität, die ihm, während er

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