Der unteleportierte Mann
beiden dem großformatigen Buch zu; erneut ignorierten sie sie.
Merkwürdig, dachte Freya. Es ergab keinen Sinn. Und doch schienen die beiden AHS-Agenten zu begreifen. Werde ich es je erfahren? fragte sie sich. Und wenn, wird es dann noch rechtzeitig sein?
Mehrere Welten, begriff sie. Und jede von ihnen anders. Und — wenn sie in dieses Buch schauen, nicht um zu sehen, was geschehen ist, sodern um zu sehen, was geschehen wird . . . dann muß es etwas mit der Zeit zu tun haben.
Zeitreise. Die Zeitverzerrungswaffe der UN.
Offenbar hatte Sepp von Einem sie in die Hand bekommen. Das senile alte Genie und sein gestörter proleptischer Protege Gloch hatten sie abgeändert, und nur Gott wußte, wie. Aber jedenfalls wirkungsvoll; soviel war offensichtlich.
Der Flapser begann tiefer zu gehen.
Als sie hinausblickte, sah sie unter ihnen ein großes, an seinem Schwanz vertäutes Schiff in Flugposition, das jeden Augenblick bereit schien, aufzusteigen; aus seinem Heck sikkerten sogar Streifen von Treibstoffdunst. Ein Riesenkahn, entschied sie; es gehörte jemandem von Bedeutung. Vielleicht Präsident Omar Jones. Oder . . .
Oder noch schlimmer.
Sie hatte das sichere Gefühl, daß es nicht Omar Jones' Schiff war — selbst wenn eine solche Person existierte. Bestimmt gehörte das Schiff Theo Ferry. Und während sie das Schiff größer werden sah, kam ihr eine bizarre Idee. Was, wenn die Omphalos vor Jahren auf ihrem Flug vom Sol-System nach Fomalhaut überholt worden war? Dieses Schiff, riesig und bedrohlich, mit seinem blätternarbigen grauen Rumpf. . . zweifellos hatte es das befleckte, geschwärzte Äußere eines viel benutzten Fahrzeugs; hatte es früher einmal den Tiefraum zwischen den beiden Sternensystemen durchquert?
Die endgültige Ironie. Theo Ferry hatte die Reise vor Rach- mael ben Applebaum gemacht. Oder besser gesagt: vielleicht gemacht, natürlich konnte sie sich nicht sicher sein. Aber sie spürte intuitiv, daß Ferry die ganze Zeit über dazu in der Lage gewesen war. Was auch immer es zu erfahren gab, war schon längst — vor Jahrzehnten vielleicht — in Erfahrung gebracht worden . . . Und von ebenjenem Mann, den sie um jeden Preis besiegen mußten.
»Bürsten Sie sich lieber die Haare«, verkündete ihr der größere der beiden AHS-Agenten, dann blinzelte er — lüstern, wie es ihr schien — seinem Begleiter zu. »Ich warne Sie rechtzeitig, Sie werden in wenigen Minuten einen wichtigen Besucher hier in Ihrem Zimmer haben.«
Beinahe unfähig zu sprechen, sagte Freya: »Das ist nicht mein Zimmer!«
»Schlafzimmer?« Beide AHS-Agenten lachten im Gleich- klang, und diesmal war keine Täuschung möglich, der Tonfall war von einer widerlichen, hemmungslosen Unzüchtigkeit. Und offensichtlich schien das für die zwei Männer eine alte Geschichte zu sein, sie wußten beide ganz genau, was geschehen würde — nicht ihnen, aber vor ihren Augen. Sie war sich nur zu deutlich der Stimmung bewußt, die sich bereits zu entwickeln begonnen hatte. Die beiden Agenten wußten, was bald von ihnen erwartet werden würde . . . und von ihr. Und doch schien es nicht so sehr etwas mit Theo Ferry zu tun zu haben als vielmehr mit der Umgebung hier als Gesamtheit; sie spürte ein untergründiges Verkehrtsein und darüber hinaus, daß auf irgendeine Art, die sie selbst nicht begriff, Ferry ebensosehr ein Opfer war wie sie.
Paraweiten, dachte sie bei sich. Sie, die beiden AHS-Agen- ten, hatten das gesagt. Silber, Weiß, Die Uhr . . . und schließlich Blau.
Bin ich jetzt in einer Paraweit? fragte sie sich. Was immer das sein mag. Vielleicht würde das das verdrehte, überspannte Verkehrtsein erklären, das die Welt rings um sie jetzt durchweg zu besitzen schien. Sie schauderte. Welche ist das hier? fragte sie sich. Angenommen, es ist überhaupt eine davon? Aber selbst wenn es so ist, begriff sie, verrät mir das immer noch nicht, was sie sind oder wie ich in diese geraten bin oder — wie ich es schaffe, wieder aus ihr herauszukrabbeln. Erneut erschauderte sie.
»Wir werden um 003.5 Kontakt mit Mr. Ferrys Schiff haben«, informierte sie der größere der beiden AHS-Agenten förmlich. Er wirkte jetzt amüsiert, als fände er ihr Unbehagen drollig und charmant. »Seien Sie also bereit«, fürgte er hinzu. »Das ist Ihre letzte Chance, zu . . .«
»Darf ich das Buch noch einmal sehen?« platzte sie heraus. »Das, das Sie da haben; das Buch über mich und Rachmael.« Der größere der beiden Agenten reichte ihr den Band. Sofort schlug sie den
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