Der unteleportierte Mann
Aufmerksamkeitsvermögen festzuhalten und zu verwandeln.
»Auch Sie«, verkündete der Zeitungsverkäufer, »können eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung dieser lieblichen, jungfräulichen Kolonialwelt mit ihrem beinahe grenzenlosen Versprechen an kulturellem und spirituellem Lohn spielen. Es besteht sogar die eindeutige Möglichkeit, daß Sie bereits erwähnt sind; warum nicht den Index zu Rate ziehen und auf diese Weise Ihren eigenen Namen auskundschaften? Versuchen Sie's mal, Mr . . .«
»Hennen«, murmelte er. »Oder Hendren, welcher er auch immer sein mag.« Indem er automatisch dem beständigen Drängen des Verkäufers nachgab, schlug er den Index auf, ließ seinen Blick bis Hs hinauf und hinab schweifen, begriff dann erschrocken, daß er genau das gerade schon gemacht hatte: nämlich etwas über sich zu lesen, aber unter seinem wirklichen Namen. Mit einem ärgerlichen Grunzen wischte er die nutzlosen Seiten beiseite, suchte seinen tatsächlichen, richtigen Namen im Index.
Hinter dem Eintrag Ferry, Theodoric fand er eine praktisch endlose Zahl von Zitationen; die Seite, die er vorhin gelesen hatte, war nur eine von vielen.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, wählte er den ersten Eintrag, den mit der niedrigsten Seitenzahl
Früh am Morgen stand Theodoric Ferry, der Chef der großen ökonomischen und politischen Einheit Auf Hoffmanns Spuren GmbH, von seinem Bett auf, legte seine Kleider an und ging hinüber ins Wohnzimmer.
Verdammt langweiliges Zeug, entschied er verwirrt. Enthält denn dieses Buch alles über mich? Sogar die trivialsten Einzel- heiten? Aus irgendeinem seltsamen und unklaren Grund ging ihm das gegen den Strich; erneut schlug er den Index auf und wählte dieses Mal einen sehr viel späteren Eintrag.
An jenem Vorabend, als Theo Ferry unter einer falschen Kodeidentität, jener eines gewissen Mike Hennen, die Telpor-Station betrat, ahnte er noch nichts von den schicksalhaften Ereignissen, die sich binnen kurzem in seinem schon zuvor barocken und verdrehten »Um Gottes willen«, klagte er heiser. Sie wußten schon Bescheid, verfügten schon über seinen Decknamen — haften sogar Zeit genug gehabt, ihn abzudrucken und dieses gespenstische Buch zu verbreiten, das sich mit ihm beschäftigte. Verleumdung! »Hör mal«, sagte er streng zu dem flinken Zeitungsverkäufer, »mein Privatleben ist meine eigene Angelegenheit; es gibt keinen stichhaltigen Grund in der Galaxis, warum das, was ich tue, hier aufgelistet werden sollte.« Ich sollte diesen Verein hochgehen lassen, enschied er. Wer immer diese Leute auch sein mögen, die dieses elende Buch zusammengestellt haben. Achtzehnte Auflage? Gütiger Gott, begriff er, es muß schon höllisch lange auf dem Markt sein . . . aber vielleicht ohne einige dieser Einträge über mich. Dieser Eintrag hier würde sogar fehlen müssen, und sei es nur aus dem Grund, daß ich mich erst in den letzten ein oder zwei Tagen für meinen Decknamen entschieden habe.
»Ein Poscred, Sir«, sagte der Verkäufer höflich. »Und das Buch gehört unwiderruflich Ihnen.«
Mürrisch gab er ihm das Geld; der Verkäufer, zufrieden, rollte davon in die Wolken aus Schutt, welche der Krieg, der ein paar Blocks weiter tobte, hinterlassen hatte. Das Buch sorfältig festhaltend, sprintete Theo Ferry sicheren Fußes in den Schutz eines nahen, halb in Ruinen liegenden Gebäudes; dort, hingeduckt zwischen den zerborstenen Blöcken aus Bauplastik, nahm er seine aufmerksame Lektüre wieder auf. Völlig gefes- selt von dem merkwürdigen Text begann er, die Geräusche und Bewegungen rings um sich völlig zu vergessen; alles, was für ihn jetzt noch Bestand hatte, war die gedruckte Seite, die er bewegungslos vor seinen aufmerksam forschenden Blick hielt. Ich bin verdammt noch mal beinahe die Hauptperson in dieser Abhandlung, begriff er. Ich, Matson, dieser Rachmael ben Applebaum, dieses Mädchen namens Freya Irgendwas und natürlich Lupov — selbstverständlich Lupov. Einer momentanen Eingebung folgend, sah er einen Eintrag über Dr. Lupov nach; einen Augenblick später fand er sich ganz von dieser speziellen Textpassage mit Beschlag belegt, obwohl sie sich zugegebenermaßen nicht im geringsten mit ihm beschäftigte.
Während er angespannt auf den kleinen Videoschirm starrte, sagte Dr. Lupov zu dem jungen Mann mit den scharfen Gesichtzügen neben ihm: »Jetzt ist es soweit, Jaime. Entweder sieht sich Theo Ferry den Bluth-Text an, oder er tut es nie. Wenn er Seite einhundert
neunundvierzig
Weitere Kostenlose Bücher