Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
überrascht zusammenschrecken. Ihr Vater konnte es nicht sein, da er wohl kaum klopfen würde. Wer also dann? Sie musste unweigerlich an die Priester denken und nur zögerlich stand sie auf und öffnete die Tür.
Doch es waren keine Priester oder Wächter, die zu dieser Stunde gekommen waren. Draußen stand ein großer, hagerer Mann, der sie aus kühlen, schwarzen Augen musterte. Seine langen, ebenfalls schwarzen Haare hingen ihm bis über die Schultern und ließen ihn auf schwer zu bestimmende Weise fremdartig erscheinen. Sein Blick war eindringlich und unverhohlen musternd.
Das erste, was Linan bei seinem Anblick durch den Kopf schoss, war: Gefahr! Dieser Mann war gefährlich! Und seine Augen – sie wirkten wie etwas aus einer anderen Welt. Schwarz und kalt wie der Tod.
»Ich suche Czenon«, sagte der Mann mit leiser, aber bestimmter Stimme, die auf seltsame Weise fremdartig klang. »Ist er hier?«
Linan, die zunächst einen Schritt zurückgewichen war, hatte sich langsam von ihrer Überraschung erholt und ärgerte sich, dass sie sich von einem Fremden so verunsichern ließ.
»Es tut mir Leid, aber er ist nicht hier«, antwortete sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
»Das ist bedauerlich, sehr bedauerlich.«
Der Fremde schaute Linan in die Augen und schien direkt durch sie hindurch zu sehen. Ein Schauder zog über ihren Rücken, als würde sie von etwas Unsichtbarem, Fremdartigem berührt. Für einen kurzen, törichten Augenblick hatte sie das Gefühl, als würde die Schwärze seiner Augen auf sie zukommen. Nie zuvor hatte sie solche Augen gesehen.
»Wann wird er wieder hier sein?«, fragte er und legte eine Hand an die Tür, als müsse er sich abstützen.
Linan zögerte. War der Fremde eine Bedrohung? Sie hatte ein ungutes Gefühl, und doch schien er keine Anstalten zu machen, näher zu kommen, stattdessen blieb er starr vor der Tür stehen.
»Er macht noch einige Besorgungen«, antwortete sie ausweichend. »Ich weiß nicht genau, wann er wieder hier sein wird. Aber es könnte spät werden.«
Der Fremde wandte seinen Blick von Linan und ließ ihn über das Innere des Raumes schweifen, in dem sie sich befand. Kurz blieben seine Augen an dem einladenden Feuer hängen und eine Andeutung von Lächeln spielte über seine Lippen, dann aber kehrten sie zurück zu Linan.
»Kann ich vielleicht helfen?«, fragte sie. »Soll ich ihm etwas ausrichten? Habt Ihr ein Geschäft mit ihm?«
»Helfen?« Ein kaltes Lächeln flog über sein Gesicht, das Linan nicht gefallen wollte. »Nein, ich fürchte, das ist nicht möglich.«
Er zog die Hand von der Tür zurück und sofort wich der unsichtbare Druck von ihr.
»Ich komme morgen wieder, in der Hoffnung, Czenon dann anzutreffen.« Er deutete eine Verbeugung an. »Auch wenn es mir natürlich eine Freude war, statt seiner die Bekanntschaft seiner bezaubernden Tochter machen zu dürfen!«
Damit drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit der Nacht, noch ehe Linan etwas erwidern konnte.
Gedanken schossen durch ihren Kopf. Woher hatte er gewusst, dass sie Czenons Tochter war? Sie hatte das nicht gesagt, also musste er es von jemand anderem erfahren haben. Oder hatte er einfach nur geraten? Sie runzelte die Stirn und verschloss rasch die Tür, bevor zu viel Kälte von draußen herein kam.
Langsam ging sie zurück zum Feuer und setzte sich, doch die zuvor so wunderbare Wärme wollte sich nicht mehr einstellen; es war, als wäre ein Stück der Kälte, die sie bei dem Fremden gespürt hatte, im Raum bei ihr zurückgeblieben.
Linan ging der Mann nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte bedrohlich gewirkt, jedoch auf eine merkwürdige Weise, und irgendwie war sein Aussehen verstörend gewesen, so als würde er gar nicht nach Boram gehören.
Später am Abend kehrte ihr Vater zurück. Er schüttelte sich, um die Kälte des Abends loszuwerden, und trat begierig ans Feuer. Sein fröhlicher Blick wurde schlagartig ernst, als er das Gesicht seiner Tochter sah, die noch immer tief in Gedanken versunken war.
»Was ist geschehen?«, fragte er. »Du siehst … verstört aus.«
Linan schaute zu ihm und winkte ab. »Es ist nichts geschehen, Vater. Da war nur ein Fremder, der dich gesucht hat.«
»Ein Fremder?« Czenon musterte Linan und seine Stirn legte sich in Falten. »Du meinst einen der Händler?«
»Nein, ich meine wirklich einen Fremden, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Und er war bestimmt kein Händler.«
»Und er hat nach mir
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