Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
verschwinden sah. Hatte er das Richtige getan? Er wusste es nicht, dennoch sah er keine andere Möglichkeit. Vielleicht würde er damit alles nur noch schlimmer machen, aber er glaubte es nicht, oder zumindest hoffte er es nicht. Er hatte schon einmal eine schwere, vielleicht falsche Entscheidung getroffen, und jetzt tat er es erneut.
»Ich werde es behalten«, unterbrach Linan seine Gedanken. »Aber das ändert nichts an dem, was du getan hast, Vater!«
Czenon nickte schwer. »Ich weiß, aber es macht mich dennoch glücklich, dass du es angenommen hast.« Er lächelte ihr kraftlos zu, doch sein Lächeln verging, als er die Bücher sah, die auf Linans Stuhl lagen. Seine Augen verengten sich.
»Woher hast du diese Bücher?«
»Da du mir nicht sagst, wer diese seltsame Fremde ist – versuche ich eben selbst, es herauszufinden.« Linans Stimme klang trotzig.
»Es ist nicht gut, sich mit den Alten Göttern zu beschäftigen. Nicht mehr.«
»Das ist meine Sache, Vater. Du hast mir die Alte Sprache beigebracht, und jetzt musst du dich nicht wundern, wenn ich sie auch verwende.«
Czenons Blick strich nochmals über die Bücher und ein trauriger Ausdruck legte sich über sein Gesicht. Dann nickte er und verschwand in seinem Zimmer.
Linan blieb noch minutenlang bewegungslos stehen; sie spürte das Amulett auf ihrer Brust und es war, als würde von ihm ein leichtes Kribbeln ausgehen, das sich langsam über ihren ganzen Körper ausbreitete. Ja, dachte sie, das Amulett gehörte zu ihr, es war, als hätte sie einen Teil von ihr zurückerhalten, der lange Zeit verloren gewesen war. Ja von dem sie nicht einmal gewusst hatte, dass es ihn überhaupt gegeben hatte.
Gleichzeitig wunderte sie sich über diese Gedanken. Wieso gab ihr Vater es ihr ausgerechnet jetzt, nachdem er ihr die furchtbare Wahrheit seiner Vergangenheit gestanden hatte? Sie verstand es nicht, begriff eigentlich gar nichts mehr. Ihre Welt war zerbrochen, und das würde sie ihrem Vater niemals vergeben können. Niemals.
***
Der Hohepriester kniete vor dem gewaltigen Thron, von dem ihn Thuraan aus kalten Augen musterte, als wäre er nur ein lästiges Insekt.
»Dein Versagen, Chrenar, wird allmählich lästig!«
Der Priester zuckte zusammen, hielt aber immer noch den Kopf demütig zu Boden gesenkt.
»Diese kümmerliche Stadtwache sollte doch in der Lage sein, den Fremden aufzuspüren. Das ist enttäuschend, sehr enttäuschend. Ich frage mich, ob ich den richtigen Männern mein Vertrauen schenke.«
Bei den letzten Worten schien sich die Temperatur in der Halle verringert zu haben und Chrenar kauerte sich noch mehr zusammen.
»Ihr habt Recht, Herr!«, brachte er mühsam hervor, wobei er das Zittern in seiner Stimme nicht mehr verhindern konnte. »Orcard, der den Wächter vorsteht – er ist nicht sonderlich entgegenkommend.«
Thuraan lachte. »Versuchst du jetzt, die Schuld an deinem Versagen jemand anderem zu geben? Hältst du mich für so einfältig, das nicht zu bemerken?«
Chrenar erbleichte. »Herr, natürlich nicht! Ihr seid ein Gott!«
»Dann tust du gut daran, das nicht zu vergessen!«, donnerte Thuraan. »Eure menschlichen Ränkespiele langweilen mich. Also, wieso ist dieser Fremde noch nicht gefunden worden?«
»Ich kann es mir nur dadurch erklären, dass der Fremde kein … normaler Mann ist. Das Feuer aus seinen Händen ...»
Er wusste, wie gefährlich für ihn selber seine Worte waren, doch sein Leben stand ohnehin auf Messers Schneide. Einem Gott konnte man nichts vormachen.
Thuraan starrte ihn an und seine Augen funkelten, als wollten sie den Priester verschlingen. Doch dann nickte er langsam.
»Ja, etwas ist an diesem Fremden, das spüre ich auch.«
Chrenar war überrascht, dies von Thuraan zu hören, doch äußerlich zeigte er keine Reaktion. Noch war er nicht gerettet.
»Ich freue mich schon, diesen merkwürdigen Fremden hier begrüßen zu dürfen«, fuhr Thuraan mit sarkastischer Stimme fort. »Also eile dich und wage es nicht noch einmal, mit solch schlechten Nachrichten vor mir zu erscheinen! Ich will ihn haben – sofort!«
Chrenar stand mühsam auf und verbeugte sich so tief er nur konnte. Dann drehte er sich um und verließ die Thronhalle, glücklich, dem Tod noch einmal entkommen zu sein.
Thuraan schaute ihm nach. Er hatte nur Verachtung übrig für den Priester. Schon bald würde er auch ihn töten, denn schon zu oft hatte er versagt, und leicht würde sich ein Nachfolger finden lassen, der sich an der
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