Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
innerlich. Mochte der Fremde das Haus durchsuchen wie er wollte, er würde niemals das finden, wonach es ihn begehrte. Er hätte es ihm sagen können, aber in dem Augenblick, als dieser ihm die Hilfe verweigert hatte, war etwas in seinem Inneren zerbrochen und der Hass auf den Fremden war fast genauso groß wie der gegen die Priester und ihren verfluchten Gott Thuraan.
Durch die dunklen Gassen eilte er weiter, bis er endlich den Serapis vor sich sah. Mächtige Fackeln erhellten den Eingang, die jedoch durch den Regen nur als flackernde Schemen zu erkennen waren. Undeutlich erkannte er zwei Schatten am Eingang, die vermutlich von Priestern stammten, die sich dort aufhielten. Er spürte den Druck des Stockes, den er unterwegs zufällig gefunden hatte und nun unter seinem Mantel verbarg, und schritt ohne Eile auf den Eingang zu, ganz wie ein Mann, der jedes Recht dazu hatte. Rot und wild flackerte undeutlich das Licht auf der Spitze des Turmes und wollte ihm wie ein Blick in die Zukunft erscheinen – eine Zukunft des Schmerzes und des Todes.
Vor dem Eingang blieb er stehen und verbeugte sich. »Ehre sei Thuraan!«, begrüßte er die Priester demütig. Sein Gesicht wirkte beherrscht und kühl.
Sie erwiderten seinen Gruß und fragten, was er wollte.
»Der Hohepriester selber erwartet mich, er hat nach mir schicken lassen.«
Die beiden Priester schauten sich ein wenig überrascht an, dann begann einer von ihnen, das Tor zu öffnen. »Warte hier, ich werde fragen, ob du die Wahrheit sprichst und er Zeit für dich hat.«
Czenon verbeugte sich erneut, doch in dem Augenblick, als der eine ihm den Rücken zukehrte, riss er seinen Stock aus dem Mantel und schlug ihn dem zweiten Priester, der durch das Öffnen der Tür für einen Moment abgelenkt war, auf den Kopf. Vollkommen lautlos brach dieser zusammen.
Ehe der andere Priester etwas bemerkte, sprang Czenon auf ihn zu und schlug ihn ebenfalls zu Boden. Hastig schaute er sich um und lauschte, aber kein Alarm ertönte. Er erhob nochmals den Stock und schlug ein zweites Mal auf jeden der beiden ohnmächtigen Priester ein. Hass wallte in ihm auf.
Dann aber ließ er schweren Herzens von ihnen ab, auch wenn alles in ihm ihn dazu drängte, ihnen das Leben zu nehmen. Lautlos verschwand er im Inneren des Turms, wohlwissend, dem sicheren Tod entgegen zu gehen. Doch sein Herz und sein Verstand kannten in seltener Eintracht nur einen einzigen Gedanken: Linan!
***
Linan kam langsam wieder zu sich. Sie erinnerte sich daran, wie die Wächter in ihr Haus eingedrungen waren und sie mit einem in eine merkwürdig riechende Flüssigkeit getunktem Tuch betäubt hatten. Sie dachte an ihren Vater, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte, doch er war einfach von ihnen niedergeschlagen worden, ohne dass sie ihm hatte helfen können.
Mühsam schaute sie sich um und bemerkte zu ihrer Bestürzung, dass sie an Händen und Füßen gefesselt auf einem steinernen Altar lag. In ihrem Blickfeld konnte sie einen übergroß wirkenden Thronsitz erkennen, der vor einer erstaunlich glatten Wand angebracht war. Grotesk geformte Statuen waren zu beiden Seiten des Throns angebracht und schienen sie böse und gierig zugleich anzustarren.
Angst kam in ihr auf als sie endlich begriff, an welchem Ort sie sich befand. Angst und das Wissen um das Schicksal, das ihr bevorstand.
»Ist jemand hier?«, rief sie, ohne das Zittern in ihrer Stimme verbergen zu können. »Bitte – ich brauche Hilfe!«
Plötzlich wusste sie, dass sie nicht allein war, denn von hinten trat jemand leise, fast unhörbar an sie heran.
»Ich bin Chrenar, der Hohepriester Thuraans«, begrüßte er sie mit einer Stimme, der jegliches Gefühl fehlte.
Die Angst in ihr verstärkte sich, als sie seinen Namen hörte. »Warum bin ich hier?«, rief sie. »Was wollt ihr von mir?«
Ein kaum zu erkennendes Lächeln zog über das Gesicht Chrenars, der jetzt direkt neben ihr stand. »Armes Kind, wir wollen gar nichts von dir. Aber wir suchen einen Fremden, der nach Boram gekommen ist. Und du wirst uns helfen, ihn in die Hände zu bekommen.«
»Einen Fremden? Ich weiß nichts von einem ...«
»Zu lügen wird dir nichts helfen!», unterbrach Chrenar sie hart. »Nicht hier im Serapis . Er war bei euch, und schon bald wird auch er hier sein und seine gerechte Bestrafung empfangen.«
»Was wollt ihr von ihm?«
Doch der Priester antwortete nicht auf ihre Frage und verzweifelt kämpfte Linan gegen die Fesseln an, ohne jedoch den geringsten
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