Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
allein die Erwähnung der Dunklen Angst. Dann fiel ihr Blick auf seine verletzte Schulter.
»Wie geht es dir? Der Häscher hat dich verletzt, hat Orcard erzählt.«
»Die Wunde ist nur oberflächlich und wird rasch verheilen.«
Mela betrachtete ihn zweifelnd, denn bei aller Zurückhaltung hatte Orcard sehr ernst gewirkt, als er ihr davon berichtet hatte; doch sie war schon einmal Zeuge gewesen, wie schnell Wunden bei ihm verheilten. Damals, als er in die Schenke gekommen war, in einer anderen, inzwischen toten Welt, an die sie sich kaum mehr erinnern konnte.
»Geh zurück zu den Frauen und mach dir keine Sorgen um mich!«, forderte Eneas sie auf. »Wir gehen weiter!«
Mela schaute ihn von der Seite aus an, aber sein Gesicht blieb kalt und abwesend. Er fragte sich, was sie jetzt wohl von ihm dachte. Vielleicht hasste sie ihn, aber ganz sicher hatte sie Angst vor ihm. So schwer es ihm auch fiel: er musste Mela auf Distanz halten, alles andere würde nur noch mehr Kummer und Leid über sie bringen.
Er machte ein Zeichen und die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung. Zum ersten Mal hatten sie ein konkretes Ziel vor Augen, denn alle hatten seine Worte gehört, und das gab ihnen zumindest wieder etwas Hoffnung und Kraft.
Sie brauchten noch fast eine Stunde, bis sie Konduun erreicht hatten. Als die Konturen aus dem Nebel deutlicher hervortraten, blieben alle wie auf ein geheimes Kommando stehen und starrten das Bauwerk an, das sich vor ihnen entfaltete.
Es war ganz in Weiß gehalten, und auch wenn es in weiten Teilen zerstört war, konnte man doch erahnen, welche Größe und Pracht es einst gehabt haben musste. An einer Stelle ragte es sogar noch hoch in die Luft, über den Nebel hinaus, andere Teile waren zusammengebrochen und nur ruinenhaft zu erkennen. Das Gebäude selbst schien annähernd quadratisch zu sein und strahlte trotz der Baufälligkeit etwas aus, was es ansonsten in dieser vom Nebel beherrschten Welt nicht mehr zu geben schien: Hoffnung.
Ehrfürchtig standen sie eine Zeit lang einfach nur da und staunten das Relikt aus einer anderen, längst vergangenen Zeit an. Jeder von ihnen erahnte in diesem Augenblick, dass sie nur wenig davon wussten, wie die Welt wirklich war oder welche Geheimnisse einst in ihr existiert hatten.
Doch dann war es wieder Eneas, der sie aus ihren Gedanken riss: »Wir gehen hinein, dort ist es sicher!«
Orcard trat neben ihn. »Ist dem wirklich so?« Leichter Zweifel sprach aus seiner Stimme.
Eneas nickte. »Es ist ein Bauwerk der Alten Götter – die drakesh können nicht hinein.«
Ein verunsicherter Blick des Wächters traf ihn, dann gab Orcard den Befehl, durch das große, halb eingefallene Tor zu gehen, das inmitten der Anlage zu sehen war und auf das Eneas deutete. Denn wenn Eneas wirklich die Wahrheit sprach, lag vor ihnen eine Zuflucht, die ihnen zumindest vorübergehend Sicherheit versprach.
Als sie das Tor durchschritten, war der Nebel von einem Moment zum anderen verschwunden, genau wie der Druck, der die ganze Zeit über auf ihnen gelegen hatte. Erstaunt schaute sich Orcard um.
»Wie kann das sein?«, brach es aus ihm heraus.
»Die Alten Götter mögen fort sein, aber zumindest hier an diesem Ort ist ihre Macht in Teilen noch vorhanden. Ein Abglanz jener alten Zeit nur, aber immerhin.«
»Du hast vorhin gesagt, dass du noch nie hier gewesen bist – dennoch scheint es, als hättest du genau hierher gewollt.«
Eneas spürte, wie ein scharfer Blick Orcards ihn traf, und auch die übrigen blickten ihn unverhohlen an. Der Wächter war ein kluger Mann, dachte er. Klug und damit auch gefährlich.
»Hier sind wir in Sicherheit«, entgegnet er.
»Das habe ich nicht gemeint!« Orcards Antwort war scharf und plötzlich lag eine Spannung in der Luft, die fast mit Händen zu greifen war.
Hendrans Hand griff zum Schwert und er trat neben Orcard. »Er hat Recht: du wolltest von Anfang an hierher! Warum?«
Als Eneas nicht antwortete, zog er das Schwert, doch Orcard bedeutete ihm Zurückhaltung.
»Wir sind dir dankbar, dass du uns vor dem Häscher gerettet hast«, sagte er mit ruhiger, fester Stimme, die trotzdem gefährlich klang. »Dennoch haben wir ein Recht zu erfahren, was du hier willst! Denn ob du willst oder nicht – unser aller Schicksal ist jetzt mit dem deinen verknüpft!«
Verknüpft? Eneas hätte fast aufgelacht. Wie wenig wussten sie von dem, was sein Schicksal war. Nichts, überhaupt nichts. Ihr einziges Ziel war es, in Sicherheit zu kommen. Ansonsten
Weitere Kostenlose Bücher