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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Konsens der Gelehrten. Aber da, wo es einen Text gibt, gibt es keine Meinung.«
    Menschen, die für eine Demokratisierung kämpfen, fühlen sich von der vermeintlich säkularen Regierung und den radikalen Islamisten, wie diesem Prediger, in die Zange genommen. Wenn der Vorwurf des Vaterlandsverrats nicht taugt, so greift der Vorwurf der Blasphemie immer. Aber wie steht es mit den säkularen politischen Parteien in Ägypten? Der ehemalige Präsident der internationalen Energiebehörde, Mohamed El-Baradei, kam Ende 2009 nach Ägypten zurück, nachdem seine Amtszeit in Wien geendet hatte, und zeigte seine Bereitschaft, für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen 2011 zu kandidieren. Der Mann, der vor fünf Jahren den Friedensnobelpreis erhielt und kurz danach mit dem höchsten Orden Ägyptens von Präsident Mubarak persönlich als herausragende Persönlichkeit geehrt wurde, stand nach seiner geplanten Kandidatur plötzlich unter Beschuss der Staatsmedien. Ihm wurde nicht nur Mangel an politischer Erfahrung unterstellt, sondern er wurde in seiner Integrität angegriffen. Während seiner Studienzeit hätte er immer die schlechtesten Noten unter seinen Kameraden gehabt, hieß es in einer Regierungszeitung. Außerdem sei er für den Irakkrieg durch seine Berichte über Massenvernichtungswaffen verantwortlich. Die religiösen Oppositionsmedien zogen nach und warfen ihm vor, er sei aus Europa zurückgekommen, um gegen Gott und seinen Propheten einen Feldzug zu führen, denn er kündigte an, nicht die Scharia, sondern eine liberale Verfassung als Basis für die Gesetzgebung zu verwenden. Sogar die säkularen Parteien distanzierten sich von ihm, denn sie fürchteten offenbar, er würde ihnen durch seine Kandidatur die Show stehlen. Sie haben sich damit abgefunden, gegen die Regierungspartei anzutreten, zu verlieren und vor dem Volk als Opfer dazustehen. Bei Präsidentschaftswahlen wissen sie, dass sie gegen den amtierenden Präsidenten keine Chance haben, und lassen sich gerne mit ein paar Sitzen abspeisen.
    Diese Parteien sind nur wie »gefrorene Hähnchen«, schrieb Ägyptens Bestsellerautor Alaa Al-Aswani. Diese würden nur auftauen und sich bewegen in den Zeiten der Wahlen, danach kehren sie ins Gefrierfach zurück. Al-Aswani vergleicht Ägypten mit einer Fußballmannschaft, deren talentierteste Spieler auf der Reservebank sitzen, während die alten, verbrauchten und ideenlosen Spieler ihre schweren Beine übers Feld schleppen. Aber der Trainer will sie trotzdem nicht auswechseln, weil er sie mag oder weil sie für ihn keine Gefahr darstellen. Al-Aswani hat recht, denn Loyalität und nicht Effizienz ist immer das Kriterium für ein Amt im Kabinett oder einen Sitz im Parlament. Der Zweck der Politik in Ägypten ist es, dass die Sache läuft, nicht, dass sie sich entwickelt.
    Ein Präsidentschaftskandidat braucht laut der Verfassung des Landes aber die Zustimmung von zwei Dritteln der Parlamentsmitglieder, um bei der Wahl antreten zu dürfen. Die regierende Nationalpartei, deren Chef Präsident Mubarak selbst ist, würde der Kandidatur El-Baradeis nicht zustimmen, da auch der Sohn des Präsidenten, der selbst Präsident der Politikkommission innerhalb der Partei ist, den Anspruch erhebt, das Amt seines Vaters, selbstverständlich auf demokratischem Wege, zu erben. Sowohl die islamische Al-Azhar-Institution als auch der Patriarch der koptischen Kirche begrüßten das Vorhaben des Präsidentensohnes. Beide Oberhäupter der Religionsgemeinschaften sind dem Staat unterstellt. Der neue Al-Azhar-Scheich war sogar bis zu seiner Ernennung durch den Präsidenten in März 2010 Mitglied der regierenden Nationalpartei.
    El-Baradei verstand, dass er bei den Massen nur punkten kann, wenn er auch mit ihren religiösen Gefühlen spielt. So besuchte er innerhalb von zwei Wochen zwei große Moscheen in Kairo und in der Provinz und betete mit den Gläubigen vor laufender Kamera. Der Imam der Moschee fürchtete um sein Amt und fing an, während der Predigt Präsident Mubarak zu loben und jede Auflehnung gegen ihn als Auflehnung gegen Gott zu bezeichnen. Er mahnte »die Abtrünnigen«, zu Gott zurückzukehren und ihre Loyalität zum Präsidenten zu zeigen, denn seine Herrschaft sei der Wille Gottes. Die Anhänger El-Baradeis, die in ihm eine Art Messias sehen, verließen daraufhin die Moschee und fingen an, gegen Mubarak zu skandieren. Demonstranten wurden schließlich überall in Ägypten verhaftet und schwer misshandelt. Einige Abgeordnete

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