Der Untergang der Shaido
Linken, zwölf Frauen in hellen Leinenblusen zu ihrer Rechten, und alle verbeugten sich, bis sie das Deck anschauten. Sie wartete auf Shalon und die Schirmträger, bevor sie sich in Bewegung setzte. Die Herrin der Segel und die Windsucherin des Schiffes am Ende der Reihe verbeugten sich weniger tief, während sie Herzen, Lippen und Stirn berührten. Beide trugen taillenlange weiße Trauerstolen, die beinahe ihre vielen Ketten verbargen, genau wie bei ihr und Shalon.
»Mein Schiff heißt Euch willkommen, Herrin der Wogen«, sagte die Herrin der Segel, die das Schiff kommandierte, und schnüffelte an ihrem Duftkästchen. »Und ruhe der Segen des Lichts auf Euch, bis Ihr seine Decks verlasst. Die anderen warten auf Euch in der großen Kabine.«
»Der Segen des Lichts ruhe auch auf Euch«, erwiderte Harine. Turane in ihren blauen Seidenhosen und einer roten Seidenbluse war stämmig genug, um ihre Windsucherin Serine schlanker als die Mehrheit aussehen zu lassen, und sie hatte einen stechenden Blick und einen mürrischen Zug um die Lippen, aber weder das noch das Schnüffeln sollten eine Unhöflichkeit sein. So mutig war Turane nicht. Dieser Blick galt für alle; ihr eigenes Schiff lag auf dem Grund des Hafens von Ebou Dar, und nach der Luft der offenen See stank der Hafen.
Die große Kabine nahm fast die ganze Breite des hohen Heckkastells ein, ein Raum, der abgesehen von dreizehn Stühlen und einem Tisch vor einem Bullauge mit Weinkrügen und Pokalen aus gelbem Porzellan völlig leer war, und zwei Dutzend Frauen in brokatverzierter Seide konnten ihn nicht einmal annähernd ausfüllen. Sie traf als Letzte der Ersten Zwölf der Athaʹan Miere ein, und die Reaktion der anderen Herrinnen der Wogen auf ihre Ankunft war genauso, wie sie erwartet hatte. Lincora und Wallein wandten ihr wohlüberlegt den Rücken zu. Die rundgesichtige Niolle sah sie stirnrunzelnd an, dann ging sie los, um ihren Pokal nachzufüllen. Lacine, so schlank, dass ihr Busen immens erschien, schüttelte den Kopf, als würde sie sich über Harines Erscheinen wundern. Andere plauderten weiter, als wäre sie einfach nicht da. Natürlich trugen alle Trauerstolen.
Pelanna schritt über das Deck auf sie zu. Die lange rosa Narbe, die sich über die rechte Seite ihres kantigen Gesichts zog, verlieh ihr ein gefährliches Aussehen. Ihr eng gelocktes Haar war fast vollständig ergraut, die Ehrenkette, die sich über ihre linke Wange spannte, wog schwer mit den vielen goldenen Medaillons, die ihre Triumphe verkündeten, einschließlich dem für ihre Rolle bei der Flucht. Ihre Hand und Fußgelenke trugen noch immer die Spuren der seanchanischen Ketten, auch wenn sie jetzt von ihrer Seide verborgen wurde. »Ich hoffe, Ihr habt Euch erholt, Harine«, sagte sie, neigte den Kopf zur Seite und legte die tätowierten Hände in vorgetäuschtem Mitleid zusammen. »Das Sitzen geht wieder? Ich habe für alle Fälle ein Kissen auf Euren Stuhl legen lassen.«
Sie lachte schallend und sah ihre Windsucherin an, aber Caire warf ihr einen teilnahmslosen Blick zu, als hätte sie nicht zugehört, dann lachte sie verhalten. Pelanna runzelte die Stirn. Wenn sie über etwas lachte, erwartete sie, dass ihre Untergebenen ebenfalls lachten. Allerdings hatte die imposante Windsucherin ihre eigenen Sorgen, eine ihrer Töchter war bei den Landgebundenen verloren gegangen, entführt von Aes Sedai. Dafür würden sie bezahlen.
Harine schenkte den beiden ein gezwungenes Lächeln und rauschte nahe genug an Pelanna vorbei, dass die Frau zurücktreten musste, wenn sie nicht wollte, dass man ihr auf die Zehen trat. Sie runzelte dabei böse die Stirn. Tochter des Sandes, dachte Harine bitter.
Mareil entlockte ihr jedoch ein echtes Lächeln. Die hochg ewachsene schlanke Frau, deren Haar genauso viel Weiß wie Schwarz aufwies, war seit ihren Anfängen als Decksfrau auf einem alten Klipper, der von einer vom Leben verbitterten Herrin der Segel mit eiserner Hand kommandiert worden war, ihre Freundin gewesen. Es war eine freudige Nachricht gewesen, dass Mareil unbeschadet aus Ebou Dar entkommen war. Sie bedachte Pelanna und Caire mit einem Stirnrunzeln. Tebreille, ihre Windsucherin, widmete den beiden ebenfalls einen finsteren Blick, aber im Gegensatz zu ihnen tat sie es nicht, weil Mareil verlangte, dass man ihr das Handgelenk leckte. Tebreille und Caire waren Schwestern und teilten eine tiefe Sorge wegen Talaan, Caires Tochter, aber darüber hinaus hätten sie für ein Kupferstück der jeweils
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