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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Querverbindung einmündete.
    Wir hatten noch gar nicht so lange unsere Lampen gelöscht, als wir die Grabräuberin – so bezeichnete ich die Alte in meinen Gedanken ein wenig makaber – kommen hörten. Sie ging langsam, aber zielstrebig, dabei völlig im Finstern. Mich gruselte es schon beim Gedanken daran. Muhm An marschierte an uns vorbei, lief weiter nach vorn. Ihr unbemerkt zu folgen, hielt ich für ausgeschlossen.
    Als sie weit genug weg war, raunte ich Friedrun zu: »Weiß du, wo sie jetzt sein könnte?«
    »Vorn unten sind Vorratsräume, wenn ich mich nicht täusche, und ein
Starttriebwerk…«
Nach einer Weile folgten wir der Alten.
    Obwohl der Korridor mit einer mittlerweile zwar gealterten, aber noch dämpfenden dicken Folie ausgelegt war, meinten wir, die Geräusche, die wir verursachten, müßten durch das gesamte Schiff hallen.
    Wir gelangten an eine Treppe, Friedrun deutete nach unten, und wir stiegen hinab.
    Im unteren Korridor stand ein leichter Geruch, den ich zunächst nicht zu deuten vermochte. Im weiteren Bugwärtsschreiten verstärkte er sich. »So etwas Ähnliches wie Benzin«, wisperte Friedrun, und sie faßte wieder nach meiner Hand.
    Den Lichtschein der Lampe, die ich trug, ließ ich nun nur noch durch die Spalten zwischen den Fingern vor uns her flattern. Dennoch sahen wir die offene Tür beizeiten.
    Friedrun flüsterte so nahe an meinem Ohr, daß ihre Lippen es berührten und mir ein angenehmer Schauer über den Rücken kroch.
    Ich löschte die Lampe, und wir standen und atmeten kaum.
    In dem Raum hantierte jemand. In bestimmten Abständen wiederholte sich metallisches Schaben, dann Pause. Wieder das Schaben, aber dumpfer. Danach unregelmäßiges Klopfen und Klimpern, ein Glucksen… Der Geruch wurde lästig.
    Ich hatte einen Einfall: Als es drin wieder Laute gab, neigte ich mich zu Mary. Von ihr ging ein strenges, aber nicht unangenehmes Odeur aus. »Geh du!« flüsterte ich und wiederholte: »Geh du zu Muhm An!« Mary dachte nach. »An«, hauchte sie dann verstehend und ging leise den Korridor ein Stück zurück. Ich dachte nicht anders, als daß sie mich falsch verstanden hatte. Doch nun blieb sie stehen, knipste ihre Lampe an und kam, mit vollem Licht und nachdrücklich mit ihren nackten Füßen auftretend, angetapst. »Muhm An«, rief sie dabei leise in Abständen. An uns marschierte sie vorbei und beachtete uns nicht im mindesten. Im Raum entstand ein kleiner Disput.
    Wir traten langsam, um die Alte nicht zu erschrecken, hinzu, blendeten den Schein unserer Lampen ab.
    Muhm An fühlte sich allem Anschein nach ertappt. Sie sah voll Schuldgefühl zu Boden, in der Hand hielt sie den Probenahmestab, der Kanister war erst zu einem Viertel gefüllt. Sie hatte also mit diesem Finkennapf für Probenahmen den Treibstoff umgefüllt, und das offenkundig nicht zum erstenmal.
    Erstaunlich war für uns, daß sich überhaupt noch etwas von der Flüssigkeit im Tank befand, sicherlich ein Zerfallsprodukt des ehemaligen Inhalts.
    Wir beruhigten die Alte und bedeuteten ihr, sie möge getrost weitermachen. Helfen konnten wir ihr nicht; wir überzeugten uns, die Handpumpe hatte längst ihren Dienst eingestellt.
    Natürlich hätten wir den Leuten auch brennbare Flüssigkeiten aus unseren Vorräten geben können, aber das würden nur kleine Mengen sein, und wie lange sollten die vorhalten. Ich nahm mir vor, Mary andere Methoden des Feueranmachens zu zeigen. (Wie sich später herausstellte, kannten sie mehrere. Die mit dem Treibstoff aber war die bequemste.) Während also die Alte umständlich weiter hantierte, versuchten wir ihren Kenntnisstand zu ermitteln. Sie sprach ganz gut, und auf den Kopf gefallen war sie offensichtlich auch nicht.
    »Du kennst das Schiff?« fragte ich und dachte an ihre zielstrebige Gangart bei völliger Dunkelheit.
    Als ich ihr den Begriff »Schiff« noch ein wenig deutlicher gemacht hat
te, bejahte sie selbstgefällig.
»Und eure toten Vorfahren, die hier begraben sind…?«
Wieder dauerte es eine Weile, bis sie begriff.
    »Nun, tot sind sie«, sagte sie dann, und sie lächelte zahnlos.
    »Denken viele so wie du?« fragte ich, nachdem ich mich von meiner
Überraschung ob dieser Antwort etwas erholt hatte.
»Nicht zu viele…«
»Muhm An Mutter An gewest«, warf Mary ein.
    »Ah!« Friedrun und ich waren abermals überrascht. Mutter blieb man also nicht bis zum Tode – oder gab es Besonderheiten um An, hatte man sie vorzeitig abgelöst? Warum? Das wäre ein äußerst interessanter

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